Bei Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Motorradfahrern leidet naturgemäß deren Schutzkleidung, dazu ist sie schließlich da. Im Rahmen einer anschließenden Schadenregulierung werden von den Haftpflichtversicherern der Unfallgegner des öfteren nicht die vollen Kosten der Neuanschaffung eines Schutzhelms oder von Schutzbekleidung gezahlt, gern werden Abzüge vorgenommen. Dies muss ein geschädigter Motorradfahrer aber nicht hinnehmen.
Durch die Schadensbeseitigung muss jedoch eine messbare Vermögensmehrung bei dem Geschädigten eingetreten sein. Dies wird in der Regel beim Einbau neuer Teile in einen beschädigten Pkw zu bejahen sein. Motorradhelme und Schutzkleidung unterliegen jedoch kaum einer Abnutzung. Sie erfüllen in der Regel über Jahre hinaus unverändert die gleiche Funktion, sie dienen allein dem Schutz. Die Anschaffung eines neuen Helms bzw. neuer Schutzkleidung wirkt sich daher für einen Geschädigten wirtschaftlich in keiner Weise vorteilhaft aus. Die Anschaffung eines gebrauchten Helms oder gebrauchter Schutzkleidung wird einem Motorradfahrer zudem nicht zumutbar sein.
Das Amtsgericht Lahnstein entschied mit Urteil vom 31.03.1998, Az: 2 C 44/98, das Abzüge „Neu für Alt“ bei Motorradschutzkleidung einschließlich des Kradhelms nicht zulässig sind. Schutzkleidung eines Motorradfahrers diene ausschließlich der Sicherheit. Der Schädiger habe im Falle der Wiederbeschaffung beschädigter Kleidungsstücke den Wert dieser Kleidungsstücke ohne Abzug zu ersetzen, da eine Vermögensmehrung des Geschädigten bei Neuanschaffung nicht eintritt.
AG Lahnstein, Urt. v. 31.03.1998, Az: 2 C 44/98 (DAR 1998, 240)
Aus den Entscheidungsgründen:
Da die Beschädigung als solche feststeht, ist der genaue Grad der Beschädigung irrelevant. Ihr Wert ist voll zu ersetzen, um dem Geschädigten eine Neuanschaffung zu ermöglichen und so für ihn jegliches Sicherheitsrisiko bei weiteren Motorradfahrten auszuschließen. Unter diesem Aspekt ist auch die Anschaffung gebrauchter Sachen nicht zumutbar. Alter und Gebrauchsdauer der hier streitgegenständlichen Kleidungsstücke bleiben außer Betracht. Der Motorradhelm sowie die Motorradbekleidung sind reine Schutzgegenstände und als solche zu tragen. Dieser Schutz muss nach einem Verkehrsunfall wieder derartig hergestellt werden, dass Beschädigungen dieser Gegenstände ausgeschlossen sind.
Auch das Amtsgericht Bad Schwartau erklärte mit Urteil vom 17.06.1999, Az: 3 C 321/99, Abzüge „Neu für Alt“ bei Motorradschutzkleidung für nicht statthaft, da kein kontinuierlicher Wertverlust durch das Alter eintritt.
AG Schwartau, Urteil vom 17.06.1999, Az: 3 C 321/99 (DAR 1999, 458 f.)
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten sind auch zur Zahlung von weitergehenden Schadenersatz verpflichtet, weil zu Unrecht ein Abzug ,,Neu für Alt“ vorgenommen wurde. Allein aufgrund des Alters kann ein solcher Abzug nicht vorgenommen werden. Der Wert der Schutzkleidung bemisst sich nach Schutzfunktion und Erhaltungszustand. Unstreitig ist, dass die Schutzfunktion durch den Verkehrsunfall beeinträchtigt wurde. Es tritt kein kontinuierlicher Wertverlust durch das Alter ein. Umfang und Art des Gebrauchs sind viel entscheidender. Da es sich bei einem Motorradhelm und einer Motorradjacke um Dinge handelt, die häufig nur im Sommer benutzt werden, hätte konkret zum Zustand vorgetragen werden müssen, um einen Abzug ,,Neu für Alt“ begründen zu können. Für das Gericht ist es durchaus vorstellbar, dass ein ca. 3 ½ Jahre alter Motorradhelm und eine etwas über 2 Jahre alte Motorradjacke neuwertig sein können, wenn diese Dinge nicht häufig benutzt wurden. Allein die Tatsache, dass es sich dabei um gebrauchte Sachen handelt, rechtfertigt keinen Abzug.
Auch das Amtsgericht Essen entschied durch Urteil vom 23.08.2005, Az: 24 C 436/04, dass aufgrund der langen Lebensdauer von Motorradbekleidung, ein Abzug „Neu für Alt“ bei einer durch einen Unfall beschädigten 5 Monate alten Motorradbekleidung nicht vorzunehmen ist.
AG Essen, Urteil vom 23.08.2005, Az: 24 C 436/04 (DAR 2006, 218)
Aus den Entscheidungsgründen:
Ein Abzug neu für alt ist nicht vorzunehmen. Zwar ist grundsätzlich zutreffend, dass beim Ersatz einer gebrauchten Sache durch eine neue dies zu einer Werterhöhung beim Geschädigten führen kann. Dazu muss sich aber die Werterhöhung für den Geschädigten günstig auswirken (Palandt. BGB, Kommentar, 63. Aufl., vor § 249, Rdn. 146 m.w.N.). Berücksichtigt man hier die lange Lebensdauer von Motorradkleidung einerseits und die kurze Besitzdauer andererseits, dann würde sich der Ersatz langlebiger Motorradkleidung nach rund 5 Monaten nicht günstig für ihn auswirken, da die Kleidung bis dahin nicht messbar an Wert verloren hatte.