Um als Rechtsanwalt tätig sein zu dürfen, muss man bei der örtlichen Rechtsanwaltskammer zugelassen sein. Dort erhält man dann eine schöne Urkunde, die man irgendwo hinlegt und verstauben lässt und wird in die Liste der zugelassenen Rechtsanwälte eingetragen. Gegen Bezahlung stellt die Kammer auch einen schicken Ausweis im Scheckkartenformat aus, der zeitlich befristet gültig ist und mit dem man sich europaweit als Anwalt legitimieren und sich Zugang zu den tollsten und schönsten Gerichten verschaffen kann. Europaweit? Nein! Ein von unbeugsamen Bürokraten bevölkertes Gericht hört nicht auf, eindringenden Rechtsanwälten Widerstand zu leisten.
Wenn man als Anwalt das Kriminalgericht Moabit betreten möchte, reicht der Anwaltsausweis nicht, um den Zugangskontrollen zu entgehen. Das war mal anders. Da kam es darauf an, ob man ohne Ladung Zutritt begehrte, z.B. um eine Akte abzuholen (böser Anwalt = Kontrolle), oder ob man eine Terminsladung dabei hatte (guter Anwalt = keine Kontrolle). Den Unterschied konnte mir keiner der Justizwachtmeister erklären, schulterzuckend erwiderten sie, das ist halt so. Dann änderte sich das Prozedere im letzen Jahr, auf einmal reichte auch die Ladung nicht mehr aus. Man wurde kontrolliert. Gut, die Kontrolle ging in aller Regel schnell vonstatten, manchmal wurde man auch einfach durch gewunken. Immer erfolgte aber der Hinweis, man könne sich ja einen Hausausweis holen, dann falle die Kontrolle weg. Auf meine stetig wiederholte Frage, warum bitteschön der Anwaltsausweis nicht ausreiche, folgte wie immer nur Schulterzucken.
Als aber Anfang des Jahres ein Justizwachtmeister meinen Laptop auf dem sich gescannte 7 Leitz-Ordner Akten befanden und den ich für eine Verhandlung benötigte, konfiszieren wollte – den können sie aber nicht mit reinnehmen – wollte ich es erst nicht glauben. Ich hatte nun schon des Öfteren meinen Rechner mitgenommen, immer ohne Probleme. Mit einem Hausausweis dürfe ich den Rechner mit reinnehmen, mit dem Anwaltsausweis nicht. Meinem Unmut darüber habe ich dann recht lautstark geäußert und durfte rein, mit Laptop. Daraufhin habe ich meinen Widerstand aufgegeben, meine Zulassungsurkunde rausgekramt (auch da reicht der Anwaltsausweis nicht) und mir einen Hausausweis ausstellen lassen.
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Anwalts- und einem Hausausweis ist folgender. Der Anwaltsausweis ist, wie bereits erwähnt, zeitlich befristet. Wenn ich also keine Zulassung mehr habe, stellt mir die Kammer keinen neuen Anwaltsausweis aus. Der Anwaltsausweis hat ein Lichtbild und ein Hologramm, letzteres dürfte recht schwer nachzumachen sein. Der Moabiter Hausausweis hingegen gilt zeitlich unbeschränkt, ist recht schmucklos gehalten, hat ein Lichtbild und kein Hologramm. So etwas könnte man ohne großen Aufwand auch selbst herstellen. Sofern ich meinen Hausausweis nicht verliere, gilt er ein Leben lang. Ich glaube auch nicht, dass meine Kammer der Justizverwaltung Mitteilung machen würde, sollte ich meine Zulassung abgeben. Selbst wenn ich den Hausausweis verliere, kann ich mit meiner Zulassungsurkunde jederzeit einen neuen beantragen. Die Urkunde will die Kammer für den Fall, dass ich meine Zulassung abgebe nämlich nicht zurück haben. Es ist natürlich völlig logisch, dass so ein Hausausweis um ein vielfaches sicherer ist, als so ein popliger Anwaltsausweis. Ich habe mich von daher jetzt einfach mal dem Sicherheitsinteresse des Moabiter Hauses gebeugt und die Notwendigkeit, mich als Berliner Anwalt in einem Berliner Gericht besonders ausweisen zu müssen eingesehen. Wer Ironie findet, darf sie behalten.
Nachtrag 23.02.12: Wie ich dem Blog des Kollegen Hoenig entnehmen konnte, ist man im hohen Hause gegenüber Richtern noch misstrauischer. Genauer gesagt gegenüber Laienrichtern, den Schöffen. Die bekommen nämlich keine „Clubkarte“ und müssen die Kontrolle über sich ergehen lassen.