OLG Hamm – eine Werkzeugkiste gehört gesichert und nicht in den Fußraum


 Mario Simeunovic / Pixelio

M.Simeunovic/Pixelio

Weil er mit seiner landwirtschaftlichen Zugmaschine mit Anhänger auf der Autobahn unterwegs war, hielt die Polizei den Betroffenen an. Die Beamten meinten zunächst, der Betroffene dürfe mit dem Kraftfahrzeug die Autobahn nicht benutzen. Da er das wohl doch durfte, folgte die übliche „Wir finden schon was“-Kontrolle und siehe da, im Fußraum neben den Pedalen für Kupplung und Bremse stand eine Werkzeugkiste aus Metall.

Die Polizeibeamten kamen zu der Auffassung, bei der Werkzeugkiste handele es sich um eine ungesicherte Ladung, die die Verkehrssicherheit gefährden könne. Das Amtsgericht Herford folgte dieser Einschätzung und verurteilte den Betroffenen wegen fahrlässig fehlerhaft gesicherter Ladung mit Gefährdung der Verkehrssicherheit gem. §§ 24 Abs. 2 StVG, 22 Abs. 1, 49 StVO zu einer Geldbuße von 100 Euro.

Gegen das Urteil beantragte der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde und führte im wesentlichen aus, das Amtsgericht habe die Werkzeugkiste zu Unrecht als Ladung, es handele sich hierbei vielmehr um einen Ausrüstungs- bzw. Zubehörgegenstand, dessen Verstauung im übrigen zu keiner Gefährdung geführt habe. Das OLG Hamm ließ die Rechtsbeschwerde zu, definierte genau was Ladung ist und was nicht und reduzierte letzendlich die Geldbuße auf 70 Euro.

Aus den Gründen:

Die hier mitgeführte Werkzeugkiste ist – wie das Amtsgericht zutreffend dargelegt hat – als Ladung i.S. der Vorschrift des § 22 Abs. 1 StVO anzusehen. Gemäß § 22 Abs. 1 StVO sind die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Eine eigentliche inhaltliche Bestimmung, was unter dem Begriff Ladung zu verstehen ist, enthält die Vorschrift nicht. Auch der Blick in die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu § 22 StVO, wo es unter III. heißt: „Es ist vor allem verboten, Kanister oder Blechbehälter ungesichert auf der Ladefläche zu befördern.“, trägt zur begrifflichen Klärung nicht bei.

Ausgehend vom Beförderungszweck (BayObLG, NZV 1999, S. 479) lässt sich weitestgehend dahingehend Einigkeit erzielen, dass zur Ladung i.S. von § 22 Abs. 1 StVO alle in oder an einem Fahrzeug untergebrachten und beförderten Sachen zählen, die nicht zur Fahrzeugausrüstung gehören (vgl. BayObLG, a.a.O., S. 479; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, StVO § 22 StVO, Rdn. 14; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, StVO § 22, Rdn. 2; Krumm, NVZ 2008, S. 335; Hillmann, ZfS 2003, S. 387). Inwieweit und nach welchen Maßgaben einzelne Gegenstände wie Werkzeug oder Werkzeugkisten hiernach einzuordnen sind, wird weder einheitlich betrachtet noch im Zuordnungsfall begründet (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., StVO § 22, Rdn. 14; Hillmann, a.a.O., S. 387).

Der Senat folgt der vorherrschenden Meinung, wonach zur Ladung i.S. des § 22 Abs. 1 StVO die nicht zur Fahrzeugausrüstung gehörenden Sachen zählen, die zum Zweck der Beförderung auf, in oder an einem Fahrzeug untergebracht werden. Dabei sind nicht mehr Ladungsteil, sondern Ausstattungsteil die Sachen, die charakterisierend für das jeweilige Fahrzeug sind, womit Ladung zugleich der zu transportierende Gegenstand in seinem konkreten Zustand zum Zeitpunkt des Ladevorgangs und Transportes ist (vgl. Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl. 2009, Rdn. 1915).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die hier betroffene Werkzeugkiste weder als Ausrüstungsgegenstand noch als zur Ausstattung gehörendes Zubehör anzusehen.

Die Abgrenzung zur Fahrzeugausrüstung in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht ist zunächst anhand der einzelnen Vorschriften für Bauart und Ausrüstung in §§ 32 – 67 StVZO zu treffen, die als Mindestbestimmungen Auskunft über den verkehrssicheren Zustand des Fahrzeugs geben (vgl. hierzu KG Berlin, Beschl. v. 17.02.2007 – 2 Ss 309/96 – 3 Ws (B) 30/97- juris). Aus der Heranziehung dieser Vorschriften ergibt sich keine Zugehörigkeit der Werkzeugkiste zur Ausrüstung der landwirtschaftlichen Zugmaschine im Sinne eines bau- oder betriebstechnisch notwendigen Gegenstandes. Insbesondere zählt sie auch nicht zu den in § 42 Abs. 3 StVZO genannten Ausrüstungsteilen wie z.B. Ersatzräder, Feuerlöscher, Wagenheber u.ä.. Eine darüber hinausgehende Zuordnung etwa unter Gesichtspunkten der Nützlichkeit oder Vorsorglichkeit ist in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht veranlasst.

Auch als Ausstattungsmerkmal lässt sich die Werkzeugkiste nicht definieren, da sie nicht als charakterisierend für die landwirtschaftliche Zugmaschine anzusehen ist. Unabhängig davon stellte sich zudem die Frage – worauf das Amtsgericht in den späteren Urteilsausführungen zu Recht abgestellt hat – ob selbst bei Zugehörigkeit der Werkzeugkiste zur Ausstattung nicht gleichwohl maßgeblich der konkrete Zustand und der konkrete Aufbewahrungsort des transportierten Gegenstandes im Beförderungszeitpunkt wäre.

Das Amtsgericht hat die Werkzeugkiste entsprechend rechtsfehlerfrei als Ladung i.S. von § 22 Abs. 1 StVO ansehen dürfen. Diese war hier auch nicht in genügender Weise nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 StVO verstaut und gesichert.

Die mit einer fahrlässig unzureichenden Ladungssicherung zusammenhängenden Fragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur hinreichend geklärt. Die Bestimmung der nach § 22 Abs. 1 StVO zu treffenden Sicherungsmaßnahmen hängt naturgemäß von der Art der Ladung und des verwendeten Transportmittels ab und ist daher nur im Einzelfall möglich. Nach der Vorstellung des Verordnungsgebers setzt eine sachgerechte Sicherung der Ladung ihr Verstauen nach den in der Praxis anerkannten Regeln des Speditions- und Fuhrbetriebes voraus. Insoweit stellen nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung die gegenwärtig anerkannten technischen Beladungsregeln der VDI-Richtlinie 2700 „Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen“ allgemein zu beachtende Grundregeln dar. Diese sind allerdings nicht schematisch anzuwenden, sondern unterliegen als „objektiviertes Sachverständigengutachten“ der richterlichen Nachprüfung, erforderlichenfalls unter Anhörung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung (OLG Hamm, Beschlüsse v. 06.08.2009 – 2 Ss OWi 590/09 und 01.07.2008 – 2 Ss OWi 494/08 – juris; OLG Düsseldorf, NZV 1990, S. 323). Eines Rückgriffs auf die vorgenannte Richtlinie bedarf es hier indes nicht.

Die lose im Fußraum nahe der Pedale befindliche Werkzeugkiste konnte – wie vom Amtsgericht zutreffend näher ausführt – bei Kurvenfahrten oder dem Befahren unebener Straßenabschnitte sowohl seitlich verrutschen als auch nach oben gestoßen werden. Dass etwa das Gewicht der Kiste dies verhindert haben könnte, ist weder vorgebracht noch ersichtlich. Eine nicht vorgesehene Beförderung der losen und nicht zu allen Seiten formgeschlossenen Kiste im Fußraum bedeutet in Ansehung des Charakters der Vorschrift als abstrakter Gefährdungstatbestand ein offensichtlich unzureichendes Verstauen und Sichern.

OLG Hamm, Beschluss vom 03.02.2010, Az: 3 RBs 7/10  (Justiz NRW)

Vorinstanz: AG Herford, Az: 11 OWi 222/09

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