OVG Berlin-Brandenburg – kein Nachweis des gelegentlichen Cannabis-Konsums bei einem THC-COOH Wert unter 75 ng/ml und fehlenden Angaben


(c) andrea mertes / Pixelio

A. Mertes/Pixelio

Dem Betroffenen wurde die Fahrerlaubnis entzogen, nachdem er unter Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Die festgestellten Blutserumwerte ergaben 6,2 ng/ml THC und 32,8 ng/ml THC-Carbonsäure, so dass die Behörde davon ausging, dass der Betroffene gelegentlicher Konsument von Cannabis sei und sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Bei der Verkehrskontrolle soll der Betroffene angegeben haben, dass er „am Vorabend letztmalig“ Cannabis geraucht hat. Damit sei ein nur einmaliger Konsum fernliegend.

Gegen die Entziehung legte der Betroffene Widerspruch ein und beantragte, da die sofortige Vollziehung angeordnet war, beim Verwaltungsgericht Berlin, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wieder herzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte dies ab, die dagegen gerichtete Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte Erfolg. Ein gelegentlicher Konsum sei nicht nachgewiesen. Erst ab einem Wert von 75 ng/ml THC-COOH geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass gelegentlicher Konsum vorliegt. Liegt der Wert darunter, kommt es auch darauf an, welche Angaben der Betroffene macht. Gibt er einen mehrmaligen Konsum zu, hat er Pech gehabt. Hier gab der Betroffene lediglich an, am Vorabend letztmalig geraucht zu haben, was nicht automatisch bedeute, dass der Betroffene einen Mehrfachkonsum damit eingeräumt habe. Es könne auch sein, dass der Polizeibeamte die Frage so gestellt hat, was nur im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geklärt werden könne. Bis dahin sei dem Betroffenen sein Führerschein aber wieder auszuhändigen.

Aus den Gründen:

(…) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis und fehlender Trennung von Konsum und Fahren die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben.

Zu Recht wendet der Antragsteller ein, ein gelegentlicher Cannabiskonsum sei vorliegend nicht hinreichend belegt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass diesbezüglich nachgewiesen sein muss, dass der betroffene Fahrerlaubnisinhaber mehr als einmal Cannabis konsumiert hat. Nach der Rechtsprechung des Senats ist davon entweder bei einem Wert von mindestens 75 ng/ml THC-COOH oder aufgrund eigener Angaben des Betroffenen bzw. dann auszugehen, wenn mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde (Beschluss vom 18. November 2009 – 1 S 134.09 -, S. 3 des Entscheidungsabdrucks; Beschluss vom 16. Juni 2009 – OVG 1 S 17.09 -, S. 4 des Entscheidungsabdrucks; Beschluss vom 17. September 2008 – OVG 1 S 138.08 -, S. 5 des Entscheidungsabdrucks).

An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Der Grenzwert von 75 ng/ml THC-COOH ist vorliegend nicht erreicht. Entgegen der Annahme des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts rechtfertigt auch die polizeilich protokollierte Angabe des Antragstellers, am Vorabend „letztmalig“ Cannabis“ geraucht zu haben, nicht mit hinreichender Gewissheit den Schluss, er habe damit – indirekt – eingeräumt, bereits zuvor schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Denn es ist, wie die Beschwerde zu Recht geltend macht, durchaus denkbar und auch nicht fernliegend, dass der ermittelnde Polizeibeamte eine entsprechende Frage nach dem „letztmaligen“ Cannabiskonsum gestellt hat bzw. die Frage nur darauf abzielte, festzustellen, wann der Antragsteller vor dem Vorfall Cannabis eingenommen hat.

Eine nähere Aufklärung der Frage nach den wörtlichen Äußerungen des Antragstellers und des ermittelnden Polizeibeamten muss einer Zeugenvernehmung in einem sich eventuell anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die weitergehenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts, es sei zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller auf einen Erstkonsum schon im Rahmen der Verkehrskontrolle hingewiesen haben würde, bleiben letztlich Spekulation.

Auch sofern das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf in dem Beschluss des Hessischen VGH vom 24. September 2008 – 2 B 1365/08 -, NJW 2009, 1523, 1524, zitierte wissenschaftliche Erkenntnisse ausführt, auch nach dem Konsum hoher Cannabisdosierungen sinke bei Gelegenheitskonsumenten die THC-Konzentration sechs Stunden nach dem Konsum auf einen Wert von ca. 1 ng/ml, während die dem Antragsteller um 18.45 Uhr am Tag nach dem Konsum entnommene Blutprobe noch 6,2 ng/ml THC enthalten habe, wobei ausgehend von dessen Angaben die Einnahme von Cannabis mindestens fast 19 Stunden zuvor erfolgt sein müsse, folgt auch daraus nicht die Annahme eines gelegentlichen Konsums.

Es entspricht zwar dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass sich der Wirkstoff THC rasch abbaut und in der Regel nach 4 bis 6 Stunden im Blut nicht mehr nachweisbar ist (vgl. Beschluss vom 16. Juni 2009, – OVG 1 S 17.09 -, Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 2 StVG Rn. 17f). Dies lässt für den vorliegenden Fall jedoch nur den Schluss zu, dass das Vorbringen des Antragstellers, auf einer Party „am Vorabend“ bzw. „zu vorgerückter Stunde“ Cannabis konsumiert zu haben, nicht zutreffen mag. Hingegen wird von dem Antragsteller zu Recht eingewendet, dass insoweit nur auf die Angabe eines unzutreffenden Konsumzeitpunktes, nicht aber auf bestimmte und hier allein interessierende Konsumgewohnheiten geschlossen werden könne.

Nicht zu überzeugen vermag das Verwaltungsgericht auch mit der Erwägung, ein nur erstmaliger Cannabiskonsum sei fernliegend, weil es sich bei Cannabis um ein strafbewehrtes Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittels handele, dessen Erwerb Kontakt zu Straftätern erfordere, über die nicht jedermann verfüge. Damit lassen sich die zu stellenden Anforderungen an die Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums nicht ersetzen. Mehr als ein einmaliger Konsum ist dem Antragsteller vorliegend bisher nicht nachzuweisen.

Im Rahmen der zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs ist bei der vorzunehmenden Interessenabwägung neben der zweifelhaften Annahme eines gelegentlichen Cannabiskonsums zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Hinblick auf die im Bescheid (…) geforderte sechsmonatige Drogenabstinenz das Ergebnis einer Haaranalyse des Instituts pima-mpu GmbH (…) eingereicht hat, wonach für den Zeitraum zwischen Mitte Juli 2009 bis Mitte Dezember 2009 – und damit fünf Monate – ein relevanter Drogenkonsum des angegebenen Untersuchungsspektrums, das sich u.a. auf THC erstreckt hat, weitgehend ausgeschlossen werden könne. (…)

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.20.2010, Az: 1 S 234.09

, , , , , ,