LG Karlsruhe – Leasinggeber haftet nicht für Verschulden des Fahrers und auch nicht aus Betriebsgefahr


Nach einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem Lkw forderte eine Leasinggesellschaft, welche Eigentümerin des beschädigten Pkw war, Schadensersatz in voller Höhe vom Lkw-Fahrer, dem Halter des Lkw und der Kfz-Haftpflichtversicherung. Zuvor hatte der Halter des Lkw seinerseits den Fahrer des Leasingfahrzeuges sowie dessen Kfz-Haftpflichtversicherung mit Erfolg auf Schadenersatz verklagt, wonach diese aus einer Haftungsquote von 75% den Unfallschaden am Lkw zu tragen hatten. Aus diesem Grund sah man natürlich keine Veranlassung, den Schaden am Leasingfahrzeug noch dazu vollständig zu regulieren.

Der Unfallhergang war höchst streitig. Die Klägerseite behauptete, ein drittes Fahrzeug sei unmittelbar vor dem Lkw von der mittleren auf die rechte Fahrspur gewechselt, woraufhin der Lkw in einer Ausweichbewegung mit dem auf der Mittelspur fahrenden Pkw kollidierte. Die Beklagtenseite behaupte, der Fahrer des Pkw, habe den mittleren Fahrstreifen verlassen und sei mit dem Lkw auf der rechten Fahrspur kollidiert. Ein dritter Pkw sei dabei nicht beteiligt gewesen.

Das Landgericht Karlsruhe entschied zu Gunsten der Leasinggesellschaft. Ein unabwendbares Unfallereignis konnte das Gericht aufgrund der widersprechenden Aussagen der Unfallbeteiligten nicht feststellen, ein Mitverschulden des Fahrers des Pkw bzw. eine verschuldensunabhängige Haftung aus Betriebsgefahr war der Leasinggesellschaft nicht entgegenzuhalten, da diese nicht Halter im Sinne des § 17 Abs. 1 StVG war. Die Beklagten mussten den Schaden daher vollständig bezahlen.

Aus den Gründen:

(…) Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 2.) ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG. Die Beklagte ist die Halterin des am Unfall beteiligten Lkw. Beim Betrieb des Lkw wurde der Wagen der Klägerin beschädigt. Dabei lag keine höhere Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG vor. Dem Anspruch steht nicht § 17 Abs. 3 S. 1, S. 3 StVG entgegen. Es handelte sich beim Unfall für den Führer des Lkw nicht um ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 S. 1 StVG.

Unabwendbar ist ein Ereignis gem. § 17 Abs. 3 S. 2 StVG dann, wenn der Führer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat. Zur äußersten Sorgfalt gehört die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente, einschließlich der möglichen Fehler anderer Verkehrsteilnehmer (KG, VersR 1999, 771). Soweit die Beklagten die Unabwendbarkeit behaupten, gelingt ihnen der Beweis hierfür nicht. Nach dem Klägervortrag lag kein unabwendbares Ereignis für den Führer des Lkw vor. Der Beklagtenseite ist der Beweis nicht gelungen, dass der Pkw der Klägerin die mittlere Spur verlassen hat und dabei auf der rechten Spur mit dem Lkw der Beklagten kollidierte. Bezüglich des Unfallhergangs weichen der Vortrag der Klägerin und der Beklagtenseite voneinander ab. Da es sich beim unabwendbaren Ereignis um eine für die Beklagte günstige Behauptung handelt, trägt sie insofern die Beweislast. (…)

Der Anspruch ist nicht zu kürzen nach § 17 Abs. 1, 2 StVG. Diese Vorschrift setzt voraus, dass Schädiger und Geschädigter die Halter der am Unfall beteiligten Fahrzeuge sind (BGH, VI ZR 199/06; Hentschel/König, 39. Aufl., § 17, Rdnr. 1). Die Klägerin ist aber nicht die Halterin des Pkw K. Halter ist derjenige, der das Kfz im eigenen Namen nicht nur ganz vorübergehend in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt ausübt (BGHZ 116, 200 = NJW 1992, 900). Halterin des Pkw war nicht die Klägerin sondern die „F. GbR“. Die Klägerin hatte bereits 2004 einen Leasingvertrag über den Pkw K. mit dieser geschlossen und ihr den Pkw K. überlassen

Der Anspruch ist auch nicht auf Grund der §§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG wegen einer Zurechnung der Betriebsgefahr oder eines Verschuldens des (Fahrers des Pkw) zu mindern. Die Klägerin muss sich die Betriebsgefahr des (…) Pkw K. nicht gem. §§ 254 Abs. 1 BGB, 9 StVG entgegenhalten lassen. Dem nichthaltenden Eigentümer wird die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs nicht zugerechnet (BGH, NJW 1986, 1044; Hentschel/König, 39. Aufl., § 7, Rdnr. 16a, § 9, Rdnr. 15; Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, 2. Aufl., § 56, Rdnr. 13; vgl. BGH VI ZR 199/06 zu deliktischen Ansprüchen des Leasinggebers; aA. OLG Celle 14 U 296/00; Schmitz, NJW 2002, 3070; Geigel, 25. Aufl., Kap. 28, Rdnr. 260). Dies ergibt sich zum einen aus dem Gesetzeswortlaut, da § 9 StVG nur von der Zurechnung bei einem Verschulden spricht. Des weiteren spricht die Änderung des § 17 Abs. 3 S. 3 StVG gegen eine Anrechnung der Betriebsgefahr. Auf Grund des neuen Satz 3 der Vorschrift muss der Schädiger – im Falle eines unabwendbaren Ereignisses – auch dann nicht haften, wenn er ein Fahrzeug beschädigt, dessen Eigentümer nicht der Halter ist. Insofern wurde – für diesen engen Fragenkreis – also eine Gleichstellung von Leasinggeber und Halter eingeführt. Damit hat der Gesetzgeber aber gezeigt, dass er das Problem kennt und eine weitere Angleichung der Rechtslage nicht für erforderlich hielt (Armbrüster, Anm. zu VI ZR 199/06, JZ 2008, 154, 156). Ob sich der nichthaltende Eigentümer ein Verschulden des Fahrzeugführers zurechnen lassen muss, ist umstritten, kann hier aber offen bleiben (dafür OLG Celle, 14 U 296/00; OLG Hamm, 6 U 16/96; LG Berlin, Urt. v. 30.04.2008, Az. 58 S 296/07, Schadenspraxis 2008, 279; J/B/H, 20. Aufl., § 9, Rdnr. 9; Martinek/Stoffels/Wimmer-Leonhardt, 2. Aufl., § 56, Rdnr. 13; Hentschel/König, 39. Aufl., § 9, Rdnr. 17; dagegen BGH NJW 1983, 1492, 1493). Der Beklagten ist es nicht gelungen, ein Verschulden des (Fahrers des Pkw) bei der Kollision der beiden Fahrzeuge nachzuweisen.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 1.) einen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 3.) aus der genannten Anspruchsgrundlage einen Direktanspruch (s. Art. 1 EGVVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F.; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG n.F.). Die Beklagte zu 3.) ist der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 2.) und haftet deshalb neben dieser. Die Beklagten haften nach § 115 Abs. 1 S. 4 VVG, § 421 S. 1 BGB als Gesamtschuldner.

LG Karlsruhe Urteil vom 5.9.2008, Az: 6 O 86/08

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