BGH – Freispruch im Fall „Ouri Jalloh“ aufgehoben


(c) Matthias Balzer / Pixelio

M. Balzer / Pixelio

Vor 5 Jahren, auf den Tag genau verstarb der in Sierra-Leone geborene Oury Jalloh in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau an den Folgen eines Brandes. Er soll die Matratze, auf der er fixiert worden war, mit einem Feuerzeug angezündet haben. Dem Dienstgruppenleiter der Polizei Dessau, lastete die Staatsanwaltschaft an, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Dabei habe er mögliche Verletzungen Oury Jalloh durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen.

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Es sei weder erwiesen, dass der Angeklagte Körperverletzungsvorsatz gehabt habe, noch sei nachweisbar, dass der Angeklagte durch ein sofortiges Eingreifen den Tod Oury Jalloh hätte vermeiden können.

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Landgerichts mit folgender Begründung aufgehoben:

Nach den Urteilsausführungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes „Anschmoren“ des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Oury Jalloh zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstofffüllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhalationsschock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaumstofffüllung freizulegen. Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der 4. Strafsenat hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahrsamsbereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfesselschlüssel mitzunehmen.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen. Dort muss sie nunmehr neu verhandelt werden.

BGH, Urteil vom 7. Januar 2010, Az: 4 StR 413/09
Vorinstanz: LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 8. Dezember 2008, Az: 6 Ks 4/05

Quelle: Pressemitteilung Nr. 3/2010 vom 7. Januar 2010

Der Vorsitzende Richter im Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau soll die mündliche Urteilsbegründung mit den Worten begonnen haben: „Das, was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat und Polizeibeamte, die in einem besonderen Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht. All diese Beamten, die uns hier belogen haben sind einzelne Beamte, die als Polizisten in diesem Land nichts zu suchen haben.“

Weitere Hintergründe zum Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau sind unter prozessouryjalloh.de, einem sehr sachlichen Prozesstagebuch nachzulesen.

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