Unser Mandant, erfreut, endlich einen Parkplatz gefunden zu haben, setzte rückwärts zum einparken an, als seine Kontrahentin mit ihrem Smart angebraust kam und vorwärts in die freie Lücke fuhr. Der Mandant, verständlicherweise sauer, stieg also aus und klopfte an die Scheibe des Smart. Was danach geschah ist höchst streitig und war auch Bestandteil eines letztlich eingestellten Strafverfahrens gegen unseren Mandanten. Er soll sehr böse Worte zu der Dame gesagt haben und ihr anschließend noch das Auto zerkratzt haben.
Da der Smart ihrem Mann gehörte, nahm dieser unseren Mandanten dann auch noch auf Schadenersatz für die zerkratze Tür in Anspruch. Mit der Klage wurde ein Kostenvoranschlag präsentiert, wonach die Instandsetzung der Beifahrertür knapp über 1000 Euro kosten sollte. Die Sachbeschädigung ergebe sich aus der polizeilichen Vernehmung der Ehefrau. Beifahrertür? In ihrer polizeilichen Vernehmung hatte die Frau ausgesagt, unser Mandant hätte Wischbewegungen an der Fahrertür gemacht und erst zwei Stunden später, nachdem sie mit ihrer Freundin fein gespeist hatte, habe sie den Schaden bemerkt. Den Kratzer, so dieser nicht schon vorher da war, konnte also jeder verursacht haben. Wir machten dem Mandanten allerdings keine großen Hoffnungen, dass wir mit diesem Einwand durchdringen würden, insbesondere, da der Gegenseite mit der Dame und ihrer besten Freundin zwei Zeuginnen zur Verfügung standen.
Weit gefehlt. Die zuständige Richterin beim AG Charlottenburg erteilte dem Kläger einen bunten Strauß an Hinweisen, warum sie bislang nicht davon ausgehe, dass zu der behaupteten Sachbeschädigung durch unseren Mandanten hinreichend vorgetragen sei. Daraufhin stellte die Gegenseite den Sachvortrag komplett um. Nun soll die Ehefrau sofort, nachdem sie die Wischbewegungen bemerkt hatte, und nicht erst nach zwei Stunden und einem reichhaltigen Abendmahl, nachgesehen und den Kratzer bemerkt haben. Beifahrer und Fahrertür habe sie einfach verwechselt, kann ja mal vorkommen. Das Gericht wies im Termin darauf hin, dass diese Änderung des Vortrages nicht ganz nachvollziehbar und mit dem Polizeiprotokoll nicht im Einklang stehe und erinnerte an die prozessuale Wahrheitspflicht. Für eine Vernehmung der angebotenen Zeugen sehe sie daher keine Veranlassung.
Die Klage wurde abgewiesen. Mal sehen ob es in die nächste Instanz geht. Wir nehmen aus diesem Verfahren jedenfalls die Erkenntnis mit, dass ein bloßer Verweis auf eine polizeiliche Vernehmung, ohne einen Lebenssachverhalt in der Klageschrift selbst detailliert darzustellen, eine gefährliche Sache sein kann.
Aus den Gründen:
Nach dem Vorbringen des Klägers zum Schadenshergang ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um widersprüchlichen und somit unbeachtlichen (vgl. hierzu allg.: Greger in Zöller, Komm. zur ZPO, 27. Aufl., 2009 §130 Rn; 7) Vortrag handelt.
Der Kläger hat zunächst in seiner Klage keine weiteren detaillierten Ausführungen zum Tathergang der behaupteten Schädigung durch den Beklagten getroffen, sondern auf die Aussage der Zeugin B in ihrer polizeilichen Vernehmung, die als Anlage der Klageschrift beigefügt war, Bezug genommen. Dies ist grundsätzlich bei einem nur fakultativem Inhalt des Vortrags zulässig (vgl. Zöller a.aO. § 130 Rn. 2)
Nach diesem Geschehensablauf hat die Zeugin eine Wischbewegung durch den Beklagten beobachtet, sich aber aus Angst vor einer Rückkehr des Beklagten und weiteren Belästigungen durch ihn erst zwei Stunden nach der Beobachtung zu ihrem Fahrzeug getraut und zu diesem Zeitpunkt den behaupteten Schaden festgestellt.
Nachdem das Gericht gern. § 139 ZPO darauf hinwies, dass nach dem ersten Anschein aufgrund der erheblichen zeitlichen Differenz zwischen Beobachtung und Schadensfeststellung nicht mehr typischerweise von einer Verursachung des vermeintlichen Schadens durch den Beklagten ausgegangen werden kann, hat der Kläger seinen Vortrag geändert.
Er behauptete nunmehr, die Zeugin habe sich sogleich zum Auto zurückbegeben, da nach dem Entfernen des Beklagten vom Unfallort keine Gewalteskapaden mehr drohten. Nach diesem geänderten Vortrag war jedoch nicht ersichtlich, wieso die Gefahr einer Rückkehr des Beklagten, die nach der polizeilichen Vernehmung die Zeugin von einer umgehenden Untersuchung des Fahrzeugs abhielt, durch dessen bloßes Entfernen vom Ort des Geschehens gebannt sein sollte. Vielmehr war weiterhin von der Möglichkeit dessen Rückkehr auszugehen.
Nachdem das Gericht den Kläger daraufhin an die Einhaltung der Wahrheitspflicht gern. § 138 ZPO ermahnt hatte, stellt der weitergehende Vortrag keine hinreichende Erklärung der Widersprüche im bisherigen Vortrag dar.
Soweit der Kläger nunmehr vorträgt, die polizeiliche Vernehmung sei ungenau bzw. verkürzt und allgemein gehalten, kann dem nicht gefolgt werden. Die Zeugin hat vielmehr ausdrücklich und nachvollziehbar ihre Beweggründe für das Zuwarten dargelegt Hiermit hat sie weder ungenau noch verkürzt und allgemein gehalten den Sachverhalt geschildert, sondern vielmehr detailliert und nicht nur unter Benennung des objektiven Geschehensablaufs, sondern sogar unter Angabe der subjektiven Beweggründe. Eine insofern unzutreffende Wiedergabe durch die aufnehmende Polizeiobermeisterin ist entgegen der Behauptung des Klägers nicht anzunehmen, da darüber hinaus noch aufgenommen wurde, dass die Zeugin vor Rückkehr zum Fahrzeug noch Essen war und erst danach den Schaden feststellte. Diese Aussage hätte anderenfalls nicht der Protokollierung bedurft, wenn das Essen nach der Schadensfeststellung stattgefunden hätte, da es insofern für den Tathergang gänzlich unerheblich gewesen wäre.
Insofern ist auch das Vorbringen des Klägers, die Vernehmung habe nur der Anzeige wegen Beleidigung gedient, nicht weiter behilflich, da anderenfalls die gesamte Aussage zur Sachbeschädigung, die zeitlich der Beleidigung nachfolgte; nicht hätte aufgenommen werden müssen. Dass bei der Protokollierung dieses Tatteils daher weniger Genauigkeit auf die Aussage gelegt worden ist, ist nicht ersichtlich.
Dieser Einschätzung eines widersprüchlichen Vortrags zum Tathergang steht nicht die Möglichkeit zur vorgenommenen und zulässigen Berichtigung des Vortrags zur konkret beschädigten Tür entgegen. Insofern hat der Kläger .zunächst entsprechend des polizeilichen Protokolls die Beschädigung der Fahrertür behauptet und dies nachfolgend auf die Beschädigung der Beifahrertür berichtigt. Hierbei ist grundsätzlich beachtlich, dass die Partei auch falsches oder nur irrtümliches Vorbringen jederzeit berichtigen kann (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Komm. zur ZPO, 66. Aufl., 2008, § 138 Rn. 64).
Die bloße Verwechselung von Fahrer- und Beifahrertür kann sowohl bei der Protokollierung durch die Polizeiobermeisterin selbst, durch die Zeugin oder im hiesigen Verfahren durch den Verfahrensbevollmächtigten erfolgt sein. Dies gibt jedoch noch keinen Anlass auch hier von einem beachtlichen widersprüchlichen Vortrag auszugehen. Entgegen dem Vorbringen zum zeitlichen Ablauf des Tatgeschehens handelt es sich hier nur um eine Verwechselung objektiver Tatsachen, nämlich der Fahrerseite.
Bei der Darstellung der zeitlichen Abfolge hingegen sind nicht nur die Angaben zu den objektiven Umständen widersprüchlich, vielmehr hat die Zeugin hier subjektive Beweggründe mitgeteilt, die keiner Verwechselung, Falschbezeichnung etc. unterliegen können. Die Gründe, aus denen heraus sie sich nicht mehr zum Auto zurück traute und zunächst mit ihrer Freundin zum Essen war, sind vielmehr einer ungenauen Beschreibung und Verwechselung nicht zugänglich.
Aufgrund dieses widersprüchlichen Vortrags des Klägers war bereits nicht in die Beweisaufnahme einzutreten, da der Kläger keinen Lebenssachverhalt vorgetragen hat, der typischerweise einen Rückschluss auf eine Herbeiführung des Schadens durch den Beklagten zuließ. (…)
AG Charlottenburg, Urteil vom 09.07.2009, Az: 234 C 34/09 (Volltext); rechtskräftig nach Rücknahme der Berufung auf Hinweisbeschluss des LG Berlin, Az: 49 S 101/09
Wegen der angeblichen Beleidigungen war im Nachgang noch Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld erhoben worden. Ebenfalls ohne Erfolg.