Das Amtsgericht Schwelm hatte den Betroffenen bereits einmal wegen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l zu einer Geldbuße von 250,00 € verurteilt und zudem ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hob das OLG Hamm das Urteil mit dem Hinweis auf, dass das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zu der Frage hätte einholen müssen, ob das Messergebnis durch einen Hustenlöser verfälscht worden sein könnte, und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Schwelm zurück (OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2008, Az: 2 Ss OWi 37/08).
Beim zweiten Versuch machte es das Amtsgericht Schwelm aber nicht besser. Zwar wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, allerdings von einem Techniker und nicht von einem Mediziner. Der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, dass keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Messung vorlägen. Das Messergebnis sei auch nicht durch einen Hustenlöser verfälscht worden. Innerhalb der Kontrollzeit wäre Alkohol zersetzt bzw. weggespült worden. Dies sei jedenfalls aus technischer Sicht, auch gerade bei einem Schnupfen des Fahrers festzustellen. Ob eventuell unter ganz besonderen Umständen und bei einer außergewöhnlichen Erkrankung im Mundraum Alkohol längere Zeit im Mundbereich konzentriert bleiben könne, könne ggfs. ein Mediziner klären. Das Gutachten eines Mediziners brauchte nach Ansicht des Amtsgerichts aber nicht eingeholt zu werden, da der Zustand des Gewebes im Mund des Betroffenen nachträglich nicht mehr festgestellt werden könne. Auch diese Verurteilung hob das OLG Hamm auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auf.
Aus den Gründen.
(…) Das Gericht hätte sich angesichts (…) der Unergiebigkeit der Ausführungen des Sachverständigen zur behaupteten Problematik der Alkoholspeicherung in Zahnfleischtaschen dazu gedrängt sehen müssen, auch den Rat eines medizinischen Sachverständigen einzuholen und hierüber Darlegungen in den Urteilsgründen treffen müssen. Der vom Gericht befragte technische Sachverständige hat die eigentlich entscheidende Frage nicht beantworten können. Diese lag darin, ob in evtl. bei dem Betroffenen vorhandenen Zahnfleischtaschen eine solche Alkoholmenge verborgen geblieben sein konnte, die durch plötzliches Freiwerden bei der Atemmessung das Messergebnis hätte verfälschen können. Der in der Beweisaufnahme vernommene Sachverständige hat jedoch lediglich Angaben dazu gemacht, in welchem Zeitraum evtl. im Mund verbliebener Hustenlöser weggespült oder zersetzt worden wäre. Auf die Problematik der Zahnfleischtaschen ist er gerade nicht eingegangen, sondern hat sich ausweislich der Urteilsgründe dahingehend geäußert, ggf. könne ein Mediziner klären, ob „eventuell unter ganz besonderen Umständen und bei einer außergewöhnlichen Erkrankung im Mundraum Alkohol längere Zeit im Mundbereich konzentriert bleiben könne“.
Aus diesen Ausführungen wird bereits nicht deutlich, ob der technische Sachverständige – wozu er letztlich aufgrund fehlenden Fachwissens auch nicht in der Lage sein dürfte – „Zahnfleischtaschen“ als ganz besondere Umstände oder außergewöhnliche Erkrankung einordnet oder ob es sich hierbei um Phänomene handelt, die nahezu bei jedem Menschen vorhanden sind. Insbesondere wäre die Frage zu klären gewesen, ob Zahnfleischtaschen überhaupt in der Lage sind, Alkoholreste aufzunehmen und plötzlich wieder abzugeben und – falls ja – welche Größe hierfür erforderlich wäre, wie wahrscheinlich das Vorhandensein von Zahnfleischtaschen bei einem einzelnen Menschen ist und ob diese ggf. auch mit Rückschluss für die Vergangenheit bei dem Betroffenen noch festgestellt werden könnten. Die Notwendigkeit der Klärung dieser Fragen war durch den Beschluss des Senats vorgegeben, so dass die Darlegungen im Urteil hierzu nicht ausreichend sind.
Hierbei könnte ggf. auch die Frage zu erörtern und einer sachverständigen Klärung zuzuführen sein, inwieweit ein eventueller Vergleich der Messergebnisse zwischen einem durchgeführten Vortest und dem späteren Test mit dem geeichten Gerät weitere Erkenntnisse darüber liefern könnte, ob die vom Betroffenen vorgetragene Hypothese der Verfälschung des Messergebnisses des geeichten Gerätes durch Zahnfleischtaschen wahrscheinlich ist. Dabei dürfte allerdings darauf zu achten sein, dem Sachverständigen verbindliche Informationen darüber zuzuleiten, ob das benutzte Vortestgerät die vorhandenen Werte in mg/l (…) oder in einer Umrechnung in Promille ausgibt (…).
Darüber hinaus erscheinen auch die Darlegungen in den Urteilsgründen zur Frage der Einhaltung der Kontrollzeit insgesamt bedenklich knapp. Das Gericht stützt seine Feststellungen zur Einhaltung der Kontrollzeit auf die Vernehmung der Zeugin H, die jedoch lediglich mit dem Satz zitiert wird, „zwischen 0.45 Uhr und dem Ende der Messung habe der Betroffene keine Möglichkeit gehabt, irgendwelche Substanzen zu sich zu nehmen“. Da auch gerade die Frage der Einhaltung der Kontrollzeit bereits Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 24.01.2008 war, wären in den Urteilsgründen hierzu zumindest nähere Angaben dazu zu erwarten gewesen, woher die Zeugin diese Kenntnis nimmt, insbesondere also ob sie während des genannten Zeitraums permanent mit dem Betroffenen zusammen war und etwaige Zusichnahme von Substanzen hätte mitbekommen müssen oder ob der Betroffene insoweit von einem anderen Beamten, der hierzu ggf. ergänzende Angaben machen könnte, überwacht worden ist. (…)
OLG Hamm, Beschluss vom 16.12.2008, Az: 2 Ss OWi 890/08 (justiz.nrw.de)
Vorinstanz: AG Schwelm, Urteil vom 13. Juni 2008 62 OWi 874 Js 445/07 (66/07)