Unerwünschte Telefonwerbung hat sich zu einem ernsten Problem entwickelt: Eine Flut unerwünschter Werbeanrufe – häufig auch am Wochenende und in den Abendstunden – stört Verbraucherinnen und Verbraucher massiv in ihrer Privatsphäre. Nach einer Umfrage des forsa-Instituts vom Herbst 2007 fühlen sich 86 Prozent der Bevölkerung durch unlautere Werbeanrufe belästigt, 64 Prozent der Befragten wurden in den letzten Monaten ohne Einwilligung von einem Unternehmen angerufen.
Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung ist schon nach geltendem Recht ausdrücklich verboten. Sie stellt eine unzumutbare Belästigung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dar (§ 7 Absatz 2 Nummer 2 UWG). Wer diesem Verbot zuwider handelt, kann unter anderem von Mitbewerbern oder von Organisationen wie zum Beispiel den Verbraucherschutzverbänden auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Außerdem besteht ein Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Anrufer fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Bei vorsätzlichem Handeln sieht das UWG einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung vor. Unseriöse Firmen setzen sich aber zu Lasten der Verbraucher immer wieder über dieses Verbot hinweg und die Durchsetzung des geltenden Rechts stößt in der Praxis auf Schwierigkeiten.
Im Einzelnen sieht das neue Gesetz folgende Verbesserungen für die Verbraucher vor:
Verstöße gegen das bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern können künftig mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Außerdem wird im Gesetz klargestellt, dass ein Werbeanruf nur zulässig ist, wenn der Angerufene vorher ausdrücklich erklärt hat, Werbeanrufe erhalten zu wollen. So wird verhindert, dass sich Anrufer auf Zustimmungserklärungen berufen, die der Verbraucher in einem völlig anderen Zusammenhang oder nachträglich erteilt hat.
Bei Werbeanrufen darf der Anrufer seine Rufnummer nicht mehr unterdrücken, um seine Identität zu verschleiern. Viele unerwünschte Werbeanrufe werden bislang nicht verfolgt, weil sich nicht feststellen lässt, wer angerufen hat. Denn die Unternehmen machen in der Regel von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Rufnummer zu unterdrücken. Dies wird nun durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) verboten. Bei Verstößen gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung droht eine Geldbuße bis zu 10.000 Euro.
Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen mehr Möglichkeiten, Verträge zu widerrufen, die sie am Telefon abgeschlossen haben. Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotterie-Dienstleistungen können künftig widerrufen werden so wie es heute schon bei allen anderen Verträgen möglich ist, die Verbraucher am Telefon abgeschlossen haben. In diesen Bereichen kommt es besonders zu unerlaubter Telefonwerbung, um Verbraucher zu einem Vertragsabschluss zu bewegen. Bislang gibt es hier kein Widerrufsrecht (§ 312d Absatz 4 Nummer 3 und 4 BGB). Diese Ausnahmen werden beseitigt. Es kommt für das Widerrufsrecht nicht darauf an, ob der Werbeanruf unerlaubt war. Die Vorschrift ermöglicht einen Widerruf, aus welchen Gründen auch immer.
Wenn der Verbraucher den Vertrag fristgerecht widerrufen hat, braucht er ihn nicht zu erfüllen. Die Widerrufsfrist beträgt abhängig von den Umständen des Einzelfalles – zwei Wochen oder einen Monat und beginnt nicht, bevor der Verbraucher eine Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform (etwa als E-Mail oder per Telefax) erhalten hat. Bei unerlaubten Werbeanrufen beträgt die Frist regelmäßig einen Monat.
Der Schutz vor untergeschobenen Verträgen, einschließlich der so genannten Kostenfallen im Internet, wird verbessert:
Wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht in Textform belehrt wurde, kann er Verträge über Dienstleistungen, die er am Telefon oder im Internet abgeschlossen hat, künftig widerrufen. Bislang gibt es in solchen Fällen kein Widerrufsrecht mehr, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers begonnen oder der Verbraucher die Ausführung selbst veranlasst hat. Unseriöse Unternehmer haben diese Regelung gezielt ausgenutzt, um Verbrauchern am Telefon oder im Internet Verträge unterzuschieben. Diesem Verhalten entzieht das Gesetz die Grundlage.
Widerruft der Verbraucher einen solchen Vertrag, muss er die bis dahin vom Unternehmer erbrachte Leistung nur dann bezahlen, wenn er vor Vertragsschluss auf diese Pflicht hingewiesen worden ist und er dennoch zugestimmt hat, dass die Leistung vor Ende der Widerrufsfrist erbracht wird. Das Unterschieben von Verträgen wird damit wirtschaftlich uninteressant, weil Unternehmen auf eigenes Risiko leisten.
Beispiele:
Ein unseriöses Unternehmen bietet im Internet die Erstellung eines ganz persönlichen Horoskops an. Nur aus dem Kleingedruckten ergibt sich, dass dafür bezahlt werden muss; die Gestaltung der Webseite erweckt den gegenteiligen Eindruck. Eine Belehrung über das Widerrufsrecht erfolgt nicht. Deshalb gibt der Verbraucher auch ohne Bedenken seine persönlichen Daten (Name, Anschrift, Geburtsdatum usw.) ein. Eine Woche später erhält er eine Rechnung über 100 Euro. Erst jetzt wird ihm klar, einen entgeltpflichtigen Vertrag geschlossen zu haben.
Künftig kann der Verbraucher seine Vertragserklärung noch solange widerrufen, wie er nicht vollständig bezahlt hat. Wenn ihn das Unternehmen vor Abgabe seiner Erklärung nicht darauf hingewiesen hat, dass er bei einem Widerruf für die bis dahin erbrachte Leistung Wertersatz zahlen muss, kann das Unternehmen nichts von ihm fordern.
oder
Ein Verbraucher wird von seinem Telefonanbieter angerufen und überredet, einen vermeintlich günstigeren Tarif mit einer Laufzeit von einem Jahr zu vereinbaren. Weder während des Telefonats noch später belehrt der Telefonanbieter den Verbraucher über sein Widerrufsrecht und über die Verpflichtung, im Falle des Widerrufs für bis dahin erbrachte Leistungen Wertersatz zahlen zu müssen. Der Verbraucher nutzt sein Telefon wie gewohnt weiter, stellt aber erst anhand der nächsten drei Monatsrechnungen fest, dass der vermeintlich günstigere Tarif tatsächlich teurer ist. Nach der Neuregelung kann der Verbraucher dann seine Vertragserklärung noch widerrufen.
Außerdem bedarf die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses oder die Vollmacht dazu im Fall des Anbieterwechsels zukünftig der Textform, wenn der neue Anbieter gegenüber dem bisherigen Vertragspartner des Verbrauchers auftritt. Hierdurch wird verhindert, dass ein neuer Anbieter den Vertrag des Verbrauchers mit seinem bisherigen Anbieter ohne entsprechenden Auftrag des Verbrauchers kündigt. Hierzu ist es durch unseriöse Anbieter von Telefondienstleistungen häufiger gekommen.
Beispiel:
Ein Telefonanbieter überredet einen Verbraucher am Telefon zu einem Anbieterwechsel („Sie sparen viel Geld und müssen sich um nichts kümmern“). Bisher konnte das anrufende Unternehmen gegenüber dem bisherigen Anbieter ohne weiteres die Abwicklung übernehmen. Künftig bedarf die Kündigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Verbraucher und seinem bisherigen Telefonanbieter der Textform (etwa E-Mail, Telefax). Der neue Anbieter kann also nur dann auf das bestehende Vertragsverhältnis Einfluss nehmen, wenn er ein solches „Schriftstück“ des Verbrauchers vorlegen kann. Den neuen Vertrag kann der nicht über sein Widerrufsrecht belehrte Verbraucher zukünftig auch dann noch widerrufen, wenn er bereits über den neuen Anbieter telefoniert hat (s. o.).
Das heute vom Bundestag beschlossene Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Es ist jedoch nicht zustimmungspflichtig. Das Gesetz wird am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.
Nähere Informationen zum Thema sind auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz unter www.bmj.bund.de/cold-calling erhältlich.