Kammergericht – bei Police-Pilot-Messung durch Nachfahren ist ein Toleranzabzug von 5 % in der Regel ausreichend


Das Amtsgericht Tiergarten hatte in ungewohnter Milde einen Autofahrer, der mit gemessenen 123 km/h recht flott unterwegs war, wegen fahrlässigen Überschreitung der erlaubten 80 km/h nur zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und von der Verhängung eines Fahrverbots, das im Bußgeldbescheid noch angeordnet war, abgesehen. Da die Messung durch Nachfahren auf relativ kurzer Wegstrecke mittels eines Police-Pilot-Messgerätes zustande kam, war der Amtsrichter der Meinung, einen Toleranzabzug von 15 % vornehmen zu müssen, den er dann aber auch noch falsch berechnete. Die Amtsanwaltschaft konnte diesem „Bonussystem“ nicht viel abgewinnen und ging in Rechtsbeschwerde.
Das Kammergericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Aus den Gründen:

Bei der Anwendung des Police-Pilot-Systems in der – wie die äußerst knappen Urteilsfeststellungen noch ausreichend erkennen lassen – hier vorliegenden Betriebsart „MAN“ (Messung durch Nachfahren bei variabler Wegstrecke durch eine getrennte Messung von Zeit und Wegstrecke…) ist bei Geschwindigkeitsmesswerten oberhalb 100 km/h ein Toleranzabzug von 5 % im Regelfall erforderlich und ausreichend (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. Mai 1998 – 3 Ws (B) 209/98 – (juris), 9. November 1998 – 3 Ws (B) 543/98 – (juris), 1. September 1999 – 3 Ws (B) 412/99 – und 17. Mai 2000 – 3 Ws (B) 189/00 – (juris); OLG Celle VRS 92, 435 (436); OLG Köln VRS 97, 442 (444 ff); OLG Düsseldorf VRS 99, 297; OLG Naumburg VRS 100, 201 (202); OLG Thüringen VRS 111, 211 (212 f); OLG Braunschweig DAR 1995, 371 (372); Böttger aaO).

Das Amtsgericht ist dagegen von einem „üblichen“ zehnprozentigen Sicherheitsabschlag ausgegangen. Weshalb eine Messstrecke von 613 Metern und der Umstand, dass der Beginn der Zeitmessung mit dem Beginn der Wegstreckenmessung zusammenfiel, weil die Messungen unmittelbar nach dem Überholen des Polizeifahrzeugs durch den Wagen des Betroffenen begonnen wurden, einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor darstellen soll, der einen Toleranzabzug von 15 % rechtfertigen könnte, wird im angefochtenen Urteil nicht ausgeführt und ist auch keineswegs ersichtlich, da die Umstände des Messbeginns und das Zusammenfallen des Beginns beider Messungen den Unsicherheitsfaktor sogar herabsetzen und nicht erhöhen können.

Ausgehend von den vom Amtsgericht angenommenen Berechnungsgrundlagen ist außerdem die vom Betroffenen gefahrene Höchstgeschwindigkeit rechnerisch falsch ermittelt, da sich bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 123 km/h und einem Toleranzabzug von 15 % ein abzuziehender Wert von 18,45 km/h und somit ein Endwert für die vorgeworfene Geschwindigkeit von 104 und nicht 106 km/h ergibt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass für die vom Amtsgericht angenommene Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h die Regelbuße gemäß der Tabelle 1 Buchst. c lfd.Nr. 11.3.5 nicht wie vom Amtsgericht angenommen 100 Euro, sondern 60 Euro beträgt.

KG, Beschluss vom 26.05.2008, Az: 3 Ws (B) 123/08, 2 Ss 114/08 – 3 Ws (B) 123/08

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