BVerfG – Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchung bei einem Rechtsanwalt erfolgreich


Ein Amtsrichter hatte wegen einiger Passagen in einem Beschwerdeschriftsatz gegen einen Rechtsanwalt Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet. In der Anzeige machte der Richter unter anderem geltend, dass ihm in der Beschwerdeschrift u.a. vorgeworfen werde, er hätte in diesem Beschluss „wider besseres Wissen“ Tatsachen falsch dargestellt, sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, selbst die Grundlagen seiner Entscheidung zu beurteilen, hätte sich für eine behauptete Ungereimtheit scheinbar nicht interessiert, „weil sie ja vielleicht zugunsten des Beschuldigten gewertet werden müsste“ und hätte sich „stur nicht erkennend“ gestellt.
In dem daraufhin von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren erließ das Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluss, um in der Wohnung und in den Kanzleiräumen „Handakten und Unterlagen“ aufzufinden, „aus denen sich ergibt, ob der (Rechtsanwalt) wider besseren Wissen gehandelt hat und was Grundlage seiner Behauptungen in der Beschwerdeschrift … ist“. Bei der Durchsuchung der Kanzlei gab der Rechtsanwalt verschiedene Unterlagen heraus. In seinem Wohnhaus wurden sämtliche Unterlagen durchgesehen, aber nichts gefunden.

Die gegen die Durchsuchungsanordnung und die sie bestätigende Entscheidung des Landgerichts gerichtete Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts hatte Erfolg. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) verletzen. Zur Begründung heißt es in dem Beschluss unter anderem:

Die herausgehobene Bedeutung der Berufsausübung eines Rechtsanwalts für die Rechtspflege und für die Wahrung der Rechte seiner Mandanten gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, auch wenn die Beschlagnahme und die auf sie gerichtete Durchsuchung bei einem als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalt durch § 97 StPO nicht generell ausgeschlossen ist, wenn dieser selbst Beschuldigter in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ist.

Die Durchsuchung der Kanzleiräume und der Wohnung des Beschwerdeführers war nicht erforderlich, um den Tatverdacht zu erhärten. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Äußerungen ergaben sich aus einem Schriftsatz in einer den Ermittlungsbehörden zugänglichen Gerichtsakte. Die Handakte des Beschwerdeführers war zum Beweis der ihm vorgeworfenen Äußerungen nicht erforderlich, denn es war nicht zweifelhaft, dass die vorgeworfenen Äußerungen tatsächlich vom Beschwerdeführer stammten. Das Auffinden etwaigen entlastenden Materials in den Unterlagen des Beschwerdeführers kann den Grundrechtseingriff ebenfalls nicht rechtfertigen; denn es wäre dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich gewesen, solches Material im Rahmen seiner Verteidigung selbständig vorzulegen.

Die angegriffenen Beschlüsse lassen nicht erkennen, dass die Gerichte eine Abwägung der berührten Grundrechte mit der Schwere des Tatvorwurfes vorgenommen hätten. Angesichts der Möglichkeit, durch die Ermittlungen wegen Richterbeleidigung Zugriff auf die sonst den Ermittlungsbehörden nach § 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO entzogenen Verteidigerakten zu erhalten, hätte die Durchsuchung einer besonders sorgfältigen Prüfung und Begründung bedurft. Dabei wäre auch die geringe Beweisbedeutung der zu suchenden Unterlagen für das Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen gewesen. Dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss liegt keine diese Gesichtspunkte berücksichtigende Abwägung zugrunde.

BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2008, Az: 2 BvR 1801/06 (Volltext)

Quelle: Pressemitteilung Nr. 57/2008 vom 20. Mai 2008

eine rein persönliche Anmerkung:
Es tut schon weh, wenn man sieht, mit welchem juristischen Schwachsinn sich das Bundesverfassungsgericht beschäftigen muss. Ein Amtsrichter verträgt offenbar keine „scharfen“ Formulierungen eines Rechtsanwaltes und fühlt sich „angepieselt“, ein anderer Amtsrichter springt seinem Kollegen natürlich bei und wendet eine der einschneidensten Maßnahmen des Strafprozessrechts an, indem er die Geschäftsräume und die Privatwohnung eines Strafverteidigers zur Auffindung bereits mit der Formulierung in der Beschwerde offenkundiger Beweismittel durchsuchen lässt, das Landgericht bestätigt diesen ganzen Unsinn auch noch und erst das Bundesverfassungsgericht holt all diese juristischen Koryphäen auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit zurück. Bedauerlicherweise kein Einzelfall.

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