Kammergericht – Sportliche und herausfordernde Fahrweise lässt nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf eine alkoholische Beeinflussung zu


(c) rs / Pixelio

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Ein Autofahrer hatte sich Anschluss an einen Kinobesuch ein paar Cocktails gegönnt und sich, obwohl seine Ehefrau keinen Alkohol getrunken hatte, ans Steuer seines Fahrzeuges gesetzt. Entsprechend seiner Neigung, gern sportlich und schneller als erlaubt zu fahren, legte er an verschiedenen Kreuzungen Schnellstarts hin und überschritt die zulässige Geschwindigkeit deutlich. Das fiel zwei Polizeibeamten auf, die sich entschlossen, den Autofahrer zu überprüfen.

Da die Beamten Alkoholgeruch feststellten, führten sie eine Atemalkoholmessung durch, das Messgerät zeigte einen Wert von 0,63 Promille an. Eine später durchgeführte Atemalkoholmessung mit einem Dräger ergab einen Wert von 0,41 mg/l Alkohol in der Atemluft.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Autofahrer wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20,00 Euro, seine Fahrerlaubnis wurde eingezogen und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von 5 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Seine Berufung verwarf das Landgericht mit der Maßgabe, dass die Sperrfrist zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auf 3 Monaten herabgesetzt wird. Der Autofahrer legte Revision zum Kammergericht ein und hatte damit zumindest vorläufig Erfolg.

Das Urteil des Landgerichts Berlin wurde aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen, da bei einem derart niedrigen Grad der Alkoholisierung die als Anzeichen einer Fahrunsicherheit gewerteten Fahrfehler oder Auffälligkeiten in den Urteilsgründen nicht nur im Einzelnen näher feststellt werden müssen, sondern auch deutlich gemacht werden muss, weshalb sie als alkoholbedingt eingestuft worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Fahrfehler handelt, die häufig auch nicht alkoholisierten Kraftfahrern unterlaufen. Eine vor allem bei jüngeren Kraftfahrern verbreitete sportliche und herausfordernde Fahrweise muss nicht notwendigerweise auf eine alkoholische Beeinflussung zurückzuführen sein.

Aus den Gründen:

Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit (§ 316 StGB) kann keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung, die der Annahme, der Angeklagte sei alkoholbedingt fahrunsicher gewesen, zugrunde liegt, unzureichend ist.

Das Landgericht ist insoweit von folgenden Feststellungen ausgegangen:
Am 3. März 2006 hatte der Angeklagte mit seiner Ehefrau und Freunden eine Kinovorstellung besucht, im Anschluss daran alkoholische Cocktails zu sich genommen und sich, obwohl seine Ehefrau keinen Alkohol getrunken hatte, ans Steuer seines Fahrzeuges gesetzt, um, da beide müde waren, schnell nach Hause zu gelangen. Entsprechend seiner Neigung, gern sportlich und schneller als erlaubt zu fahren, spielte er alkoholbedingt enthemmt „an den Ampeln seine vermeintliche fahrerische Überlegenheit aus, indem er versuchte, die ebenfalls an der Haltelinie befindlichen Fahrzeuge durch Imponiergehabe zu beeindrucken und durch Schnellstarts vor diesen über den Kreuzungsbereich zu gelangen. Da… (er) im weiteren Fahrverlauf deutlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Stadtverkehr überschritt und beim Spurwechsel auch nicht den Blinker betätigte, fiel er den beiden Polizeibeamten S. und G. … auf. (Sie)… entschlossen sich gegen 3.25 Uhr zur Überprüfung des Angeklagten. Dieser fuhr – alkoholbedingt – unbekümmert trotz vorhandenen Verkehrsaufkommens die Leipziger Straße weiterhin mit erhöhter Geschwindigkeit, die von dem Zeugen G. mit mindestens 75 km/h abgelesen wurde. Zum Zwecke des Überholens musste das Polizeifahrzeug auf ca. 100 km/h beschleunigen, ehe der Angeklagte, der zwischenzeitlich in die Stralauer Allee abgebogen war, gestellt werden konnte“. Da die Beamten Alkoholgeruch in der Atemluft feststellten, führten sie mittels eines Kontrollgerätes eine Atemalkoholmessung durch, das einen Wert von 0,63 Prom. anzeigte. Daraufhin brachten sie den Angeklagten, der „ungehalten und uneinsichtig“ reagierte und das weitere Vorgehen mit der Bemerkung kommentierte, sie hätten wohl Langeweile und er nähme sich sowieso einen Anwalt, zur Gefangenensammelstelle. Die dort mit dem Dräger Alcotest 7110 durchgeführte Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 0,41 mg/l Alkohol in der Atemluft.

Bei der Würdigung dieser Feststellungen ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, dass eine Umrechnung der Atemalkoholkonzentration (AAK) in eine Blutalkoholkonzentration rechtsfehlerhaft ist. Das Ergebnis wäre lediglich eine statistische Wahrscheinlichkeitsaussage und kann deshalb allenfalls als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit gewertet werden [vgl. OLG Naumburg NStZ-RR 2001, 105]. Ebensowenig ist rechtlich zu beanstanden, dass die Strafkammer angesichts der deutlich über dem Grenzwert des § 24a Abs. 1 StVG liegenden AAK des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass der Grad dessen Alkoholisierung der Annahme durch sie bedingter Fahrunsicherheit nicht entgegen steht. Allerdings sind die Anforderungen an die neben der AAK vorhandenen Beweisanzeichen für eine relative Fahruntauglichkeit um so höher, je geringer der Grad der Alkoholisierung ist. Bei einem – wie hier – niedrigeren Wert von 0,41 mg/l müssen daher die Urteilsgründe die als Anzeichen einer Fahrunsicherheit gewerteten Fahrfehler oder Auffälligkeiten nicht nur im Einzelnen näher feststellen, sondern auch deutlich machen, weshalb sie als alkoholbedingt eingestuft worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Fahrfehler handelt, die häufig auch nicht alkoholisierten Kraftfahrern unterlaufen, wie beispielsweise Fahren mit unangemessener Geschwindigkeit oder das Unterlassen der Anzeige der Fahrtrichtungsänderung. Auch eine – vor allem bei jüngeren Kraftfahrern verbreitete – sportliche und herausfordernde Fahrweise muss nicht notwendigerweise auf eine alkoholische Beeinflussung zurückzuführen sein [vgl. KG, Beschluss vom 20. August 1997 – (3) 1 Ss 179/97 (70/97) – bei juris].

Diesen Maßstäben werden die Urteilsausführungen nicht gerecht. Abgesehen davon, dass sie die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schon deshalb nicht belegen, weil sie die Beachtung der für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren aufgestellten Regeln nicht ausweisen, ist auch nicht ersichtlich, weshalb dieses Verhalten auf den konsumierten Alkohol zurückzuführen sein soll. Nichts anderes gilt für das – ohnehin weitverbreitete – Unterlassen der Betätigung des Blinkers und der Reaktion des Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten, die angesichts des von ihnen beobachteten Gesamtverhaltens des Angeklagten offensichtlich selbst nicht davon ausgegangen sind, er könnte sich durch sein Verhalten wegen fahrlässiger Trunkenheit strafbar gemacht haben. Da der Senat nicht ausschließen kann, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit des Angeklagten festgestellt werden, hebt er das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Strafkammer zurück.

KG, Beschluss vom 22.03.2007, Az: (3) 1 Ss 515/06 (32/07)

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