BGH – Rückstufungsschaden in der Vollkasko auch bei Haftungsverteilung ersatzfähig (1)


Bei Verkehrsunfällen ist häufig, abhängig vom Verschuldensgrad der Unfallbeteiligten, eine Haftungsverteilung (Quote) vorzunehmen. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hafteten beide Unfallbeteiligten jeweils hälftig. Der Kläger nahm bezüglich seines eigenen Fahrzeugschadens seine Vollkaskoversicherung in Anspruch. Den hälftigen Hochstufungsbetrag in der Vollkaskoversicherung sollte der Unfallgegner ersetzen, was dieser verweigerte.

Der BGH entschied anders als zuvor das Berufungsgericht, die strittige Frage zu Gunsten des Klägers. Der Rückstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH Folge des unfallbedingten Fahrzeugschadens. Es komme hierbei nicht darauf an, ob ein Ereignis die ausschließliche oder alleinige Ursache des Schadens ist. Auch bei einer Mitursächlichkeit habe diese den Schaden ausgelöst. Auch bei nur anteiliger Schadensverursachung haftet Schädiger daher für einen Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass Geschädigter die Kaskoversicherung in Anspruch nimmt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(…) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin die beantragte Feststellung verlangen.

a) Sie kann ihren Anspruch insgesamt im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Das hierfür erforderliche und von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist für den künftigen Schaden jedenfalls zu bejahen, weil noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Rückstufung im Vermögen der Geschädigten tatsächlich nachteilig auswirken wird (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 1991 – VI ZR 140/91 – VersR 1992, 244). Soweit der Antrag der Klägerin den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung betrifft, könnte die Klägerin den Schaden zwar beziffern. Doch ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, weil sich der Schaden noch in der Fortentwicklung befindet (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1991 – III ZR 204/89 – VersR 1991, 788 f.).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Rückstufungsschaden in der Vollkaskoversicherung trotz des anteiligen Mitverschuldens des Geschädigten eine adäquate Folge des Unfalls.

aa) Anders als beim Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der Haftpflichtversicherung, bei dem es sich lediglich um einen allgemeinen Vermögensnachteil in der Form des Sachfolgeschadens handelt (BGHZ 66, 398, 400 m.w.N.; vgl. BVerwGE 95, 98, 101; BAG NJW 1993, 1028), ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387; ebenso BGH, Urteil vom 14. Juni 1976 – III ZR 35/74 – VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung Senatsurteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 – VersR 2005, 558, 559). Für den Fall der vollen Haftung des Schädigers stellt dies auch das Berufungsgericht nicht in Frage.

bb) Doch liegt der Auffassung des Berufungsgerichts, dass im Falle anteiliger Mithaftung des Geschädigten der Prämienschaden allein infolge der Regulierung der durch den Geschädigten selbst zu tragenden Schäden eintrete, ein rechtsfehlerhaftes Verständnis des Ursachenzusammenhangs im Haftungsrecht zugrunde. Es kommt nicht darauf an, ob ein Ereignis die „ausschließliche“ oder „alleinige“ Ursache des Schadens ist; auch eine Mitursächlichkeit, sei sie auch nur „Auslöser“ neben erheblichen anderen Umständen, steht einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleich (vgl. Senatsurteile vom 19. April 2005 – VI ZR 175/04 – VersR 2005, 945, 946; vom 20. November 2001 – VI ZR 77/00 – VersR 2002, 200, 201; vom 27. Juni 2000 – VI ZR 201/99 – VersR 2000, 1282, 1283 und vom 26. Januar 1999 – VI ZR 374/97 – VersR 1999, 862). Auch bei anteiliger Schadensverursachung haftet der Schädiger dementsprechend für den Rückstufungsschaden, der dadurch eintritt, dass der Geschädigte die Kaskoversicherung in Anspruch nimmt.

cc) Im Streitfall hat die Abrechnung des gesamten Unfallschadens über die Vollkaskoversicherung den Rückstufungsschaden der Klägerin zur Folge, der durch die Beklagte zu 2 mitverursacht worden ist. Dass die Klägerin eine hälftige Mithaftung trifft, ändert daran nichts. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung trat, unabhängig von der Schuldfrage, allein dadurch ein, dass überhaupt Versicherungsleistungen in Anspruch genommen wurden. Da der Unfall als das den Schaden begründende Ereignis teils von der Beklagten zu 2, teils von der Klägerin zu vertreten ist, ist auch der Rückstufungsschaden hälftig zu teilen (Senatsurteil BGHZ 44, 382, 387 f.; OLG Karlsruhe, VersR 1992, 67, 68; LG Ulm, VersR 1993, 334; vgl. Klunzinger, NJW 1969, 2113, 2116; Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 22. Aufl., D 84; Geigel-Schlegelmilch, Haftpflichtprozess, 24. Aufl., § 13 Rn. 88).

c) Die Fragen, ob und inwieweit die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung zum Ausgleich des Schadens erforderlich ist, wenn der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer die Regulierung ihres Schadensanteils sofort angeboten haben (vgl. zur Erforderlichkeit von Rechtsanwaltsgebühren als Rechtsverfolgungskosten Senatsurteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 73/04 – aaO; zur Inanspruchnahme der Kaskoversicherung Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 22. Aufl., Rn. D 84) oder ob der Geschädigte bei geringer Fremdbeteiligung gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt (verneinend OLG Hamm, VersR 1993, 1545; LG Aachen, DAR 2000, 36; AG Gießen, DAR 1995, 29; AG Münster, VersR 2001, 781, 782), wirft der Streitfall nicht auf, weil die Beklagten nach den nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen die Haftung zunächst dem Grunde nach bestritten haben. Jedenfalls unter diesen Umständen war die Klägerin berechtigt, die Versicherung in Anspruch zu nehmen. (…)

BGH, Versäumnisurteil vom 25.04.2006, Az: VI ZR 36/05

Zu beachten ist aber, dass der Verlust des Schadensfreiheitsrabattes in der eigenen KfZ-Haftpflichtversicherung nach einem Unfall nicht ersatzfähig ist. Die Inanspruchnahme der eigenen Haftpflichtversicherung ist keine Folge des eigenen Schadens. Ursache der Rückstufung ist die Beschädigung eines fremden Fahrzeuges.

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