OLG Hamm – keine zwei Fahrverbote in einem Urteil trotz „Schonfrist“


(c) Rainer Sturm / Pixelio

R. Sturm/Pixelio

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung berauschender Mittel (Morphin, Kokain und Benzoylecgonin) in zwei Fällen zu Geldbußen von jeweils 750 Euro verurteilt und gegen ihn zwei Fahrverbote von jeweils drei Monaten unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ verhängt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zum Oberlandesgericht Hamm hatte insoweit Erfolg, dass das OLG ein Fahrverbot entfallen ließ, so dass es bei nur einem Fahrverbot von 3 Monaten blieb.

Aus den Gründen:

Die Sache war zur Fortbildung des Rechts gem. § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Die Frage, ob zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Ordnungswidrigkeiten in einem Urteil (neben zwei Geldbußen auch) mit zwei (dreimonatigen) Fahrverboten geahndet werden können oder ob vielmehr in einem Urteil wegen mehrerer Taten nur auf ein einheitliches Fahrverbot erkannt werden kann, stellt eine Rechtsfrage dar, die vorliegend entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig ist. Der Umstand, dass bereits einige Oberlandesgerichte diese Frage im letztgenannten Sinne entschieden haben, steht einer Übertragung zur Fortbildung des Rechts nicht entgegen, da diese auch dann angängig ist, wenn es erst vereinzelte obergerichtliche Entscheidungen zu der Rechtfrage gibt und die Entscheidung zur Festigung der Rechtsprechung beiträgt (vgl.: KG Berlin NZV 1992, 162; OLG Hamm NJW 1972, 1061). (…)

Die Verhängung zweier Fahrverbote von jeweils drei Monaten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Stehen zwei Ordnungswidrigkeiten, die jeweils mit einem Fahrverbot gehandet werden könnten, in Tatmehrheit, so kann nach der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung in dem diese Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig aburteilenden Urteil nur auf ein Fahrverbot erkannt werden (vgl.: BayObLG Beschl. v. 21.11.1995 – 1 ObOWi 595/95 – juris; OLG Brandenburg VRS 106, 212, 213; OLG Düsseldorf NZV 1998, 298; OLG Düsseldorf NZV 1998, 512, 513; Göhler-Gürtler OWiG 15. Aufl. § 20 Rdn. 6 und Göhler-Seitz a.a.O. § 66 Rdn. 24). Dies wird auf drei Argumente gestützt (OLG Brandenburg VRS 106, 212, 213):

Parallele zum Strafrecht: Dort darf neben einer Gesamtstrafe auch nur auf ein Fahrverbot erkannt werden.

Die Funktion des Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme verlangt eine Gesamtbetrachtung aller zu ahndenden Ordnungswidrigkeiten und damit die Prüfung – und eventuelle Anordnung – nur eines Fahrverbots.

Da das Gesetz nicht erlaubt, zwei gleichzeitig rechtskräftig gewordene Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken, wäre es sinnlos, mehrere Fahrverbote nebeneinander anzuordnen.

Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Zwar vermag das Argument der Parallele zum Strafrecht wenig zu überzeugen, da dort nach den Regelungen der §§ 53 f. StGB auch eine Gesamtstrafe, also eine einheitliche Hauptsanktion, im Falle der Tatmehrheit gebildet wird, während im Ordnungswidrigkeitenrecht nach § 20 OWiG das Kumulationsprinzip gilt, so dass die beiden Sanktionssysteme insoweit gar nicht vergleichbar sind. Die weiteren Argumente der zitierten Rechtsprechung überzeugen aber. Das Fahrverbot hat Denkzettel- und Besinnungsfunktion. Wie der Rahmen von ein bis drei Monaten Dauer (§ 25 Abs. 1 StVG) zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese Funktion in diesem Rahmen auch zu erzielen ist, ein längerfristiges Fahrverbot insoweit also nicht erforderlich ist (BayObLG a.a.O.). Grundsätzlich würden zwei in einem Erkenntnis verhängte Fahrverbote auch zeitgleich vollstreckt werden, denn sie würden beide mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam, was eine doppelte Anordnung sinnlos machen würde.

Auch in dem Falle der Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ (§ 25 Abs. 2a StVG) – wie hier – gilt nichts anderes. Auch hier würden die Fahrverbote mit Ablieferung des Führerscheins oder spätestens vier Monate nach Rechtskraft wirksam werden. Entsprechendes gilt gem. § 25 Abs. 5 StVG bei ausländischen Fahrerlaubnissen. Aus § 25 Abs. 2a S. 2 StVG lässt sich nichts anderes herleiten, da diese Vorschrift die Verhängung von Fahrverboten in unterschiedlichen Verfahren betrifft („weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt“; i.E. auch OLG Brandenburg a.a.O.). Schließlich spricht gegen eine Kumulation von Fahrverboten auch, dass eine solche gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Der Umstand, dass dies nicht der Fall ist, während in § 20 OWiG bezüglich der Geldbußen insoweit eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, zeigt, dass Kumulation von Fahrverboten auch nicht möglich sein soll. Dass die Bußgeldbehörde dies alles ggf. unterlaufen könnte, indem sie für jede Ordnungswidrigkeit getrennte Bußgeldbescheide erlässt (vgl. dazu Bohnert in KK-OWiG 3. Aufl. § 20 Rdn. 7) steht dem nicht entgegen. In diesen Fällen könnte, wenn bereits ein Fahrverbot rechtskräftig verhängt war, ggf. bei der Ahndung der weiteren Ordnungswidrigkeit berücksichtigt werden, ob nicht insoweit bereits die Denkzettel- und Besinnungsfunktion durch das erste Fahrverbot erreicht wird.

Der Senat konnte das zweite Fahrverbot gem. § 79 Abs. 6 OWiG selbst in Wegfall bringen, da eine andere Entscheidung als die getroffene insoweit nicht in Betracht kam. (…)

OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2009, Az: 3 SsOWi 451/09
Vorinstanz: AG Detmold, 4 Owi 56/09

Praxisrelevanz:

Der sog. „Ersttäter“ hat die Möglichkeit nach § 25 Abs. 2a StVG innerhalb eines Zeitraumes von 4 Monaten nach Rechtskraft einer Bußgeldentscheidung den Beginn des Fahrverbots selbst bestimmen. Ist in den zwei Jahren vor Begehung der Ordnungswidrigkeit bereits ein Fahrverbot verhängt worden oder wird bis zur Bußgeldentscheidung ein weiteres Fahrverbot verhängt, entfällt diese „Schonfrist“. Die Fahrverbotsfristen werden dann nacheinander in der Reihenfolge der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung berechnet. Bei einem „Ersttäter“, der die „Schonfrist“ nutzt, führt dies dazu, dass bei einer im Zeitraum zwischen Rechtskraft der ersten Bußgeldentscheidung und Beginn der Fahrverbotsfrist weiteren rechtskräftigen Bußgeldentscheidung, ein damit verbundenes Fahrverbot an die Verwahrfrist aus der ersten Bußgeldentscheidung angehängt wird. Der Betroffene wird mit der weiteren Bußgeldentscheidung zum „Wiederholungstäter“, für den die Regelung, dass das Fahrverbot mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung beginnt, jedoch nicht gilt.

Die Besonderheit in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall lag darin, dass das Amtsgericht anscheinend zwei Bußgeldverfahren verbunden und beide Einzeltaten in einem Verfahren abgeurteilt hat. Damit war eine Verurteilung zu zwei nacheinander zu vollstreckenden Fahrverboten nicht möglich.

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