AG München – „wie in der tiefsten Bronx“


Die späteren Beklagten mieteten für stolze 1.520 Euro eine Wohnung in München, zu der auch eine Loggia gehörte. Bei der Wohnungsübergabe war ein Fenster der Loggia beschädigt, jemand hatte mit einem Luftdruckgewehr auf die Scheibe geschossen. Diese Fensterscheibe wurde von den Vermietern ausgetauscht. Einige Zeit nach dem Einzug kam es erneut zu einer Beschädigung der Scheibe, als wieder geschossen wurde. Die Mieter erstatteten Strafanzeige. Die Polizei ging davon aus, dass von einer Wohnung aus dem gegenüberliegenden Haus geschossen wurde, der Schütze konnte jedoch nicht ermittelt werden. Zu allem Überfluss hatten es Tauben auch auf die Loggia abgesehen. Die Mieter beschwerten sich bei den Vermietern über eine Verschmutzung durch Taubenkot.

Die Mieter minderten ein halbes Jahr lang ihre Miete um jeweils 300 Euro. Der Taubenkot wurde von den Vermietern entfernt und eine Taubenabwehr angebracht, hinsichtlich der Glasscheibe wurde vereinbart, dass die Mieter diese austauschen, eine Sicherheitsfolie aufbringen und dies den Vermietern in Rechnung stellen. Mit der Höhe der Mietminderung waren die Vermieter allerdings nicht einverstanden und klagten.

Sie waren der Ansicht, der Beschuss sei nicht schwerwiegend und ein einmaliges Ereignis gewesen, so dass weder eine Absicherung gegen Schusswaffen geschuldet noch eine Minderung berechtigt gewesen sei. Es handele sich um harmlose Luftgewehrprojektile. Es habe sich um einen „Lausbubenstreich“ gehandelt. Außerdem seien vermutlich die Tauben das Ziel gewesen, die durch die zwischenzeitlich installierte Taubenabwehr nicht mehr vorhanden seien. Jedenfalls fehle es sowohl an einer konkreten Gefährdung als auch an einer Wiederholungsgefahr. Es sei übertrieben, wenn die Beklagten den Sachverhalt so darstellen würden, als befinde sich die streitgegenständliche Wohnung „in der tiefsten Bronx“, wo Schießereien mit großkalibrigen Waffen an der Tagesordnung seien, und nicht mitten in München. Sie würden allenfalls eine fünfprozentige Minderung gelten lassen. Außerdem seien natürlich die Kosten für die Fensterscheibe anzuerkennen. Insgesamt wollten die Vermieter noch 650 Euro.

Die Mieter widersprachen. Angesichts der Größe der Loggia zur gesamten Wohnfläche sei eine Minderung von wenigstens 10% wegen des Beschusses und des Taubendrecks angemessen. Die Loggia könne nicht genutzt werden, ohne sich einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit auszusetzen. Auch der Beschuss mit Luftdruckwaffen sei gefährlich und die damit für die Beklagten und mögliche Besucher bei einer Benutzung der Loggia verbundenen Gefahren nicht hinnehmbar. Wiederholungsgefahr bestehe weiterhin, insbesondere weil der Schütze nicht habe ermittelt werden können. Es könne deshalb auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagten das Ziel gewesen sein könnten. Die Loggia hätten sie, die Beklagten, aus Angst vor einem erneuten Beschuss bis heute nicht genutzt.

Der zuständige Richter beim Amtsgericht München gab den Vermietern zu einem Teil Recht:

Die Miete sei bis 20.11.2008 um 5% der Bruttomiete gemindert gewesen. Ein weitergehendes Minderungsrecht stehe den Beklagten jedoch nicht zu. Für den Zeitraum Juni bis August 2008 sei der Mietgebrauch bezüglich der Loggia wegen des Beschusses mit einer Luftdruckwaffe und der Verschmutzung mit Taubenkot wesentlich beeinträchtigt gewesen.

Bereits durch den Beschuss der Loggia sei der Mietgebrauch der Loggia als Rückzugs- und Erholungsbereich bis Ende August 2008 ausgeschlossen gewesen. Zwar sei der Klagepartei insofern zuzubilligen, dass der Beschuss mit Luftdruckwaffen weniger gefährlich sei als mit anderen Waffen. Das bedeute aber nicht, dass von Luftdruckwaffen nicht trotzdem erhebliche Gefahren ausgehen. So könne auch ein solcher Beschuss im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen und so erhebliche Verletzungen hervorrufen. Hinzu komme die psychologische Wirkung, möglichem Beschuss durch einen unbekannten Schützen – gewissermaßen einem Heckenschützen – ausgesetzt zu sein. Nachdem bereits vor dem Einzug der Beklagten die Loggia beschossen worden war, bestand nach dem erneuten Beschuss, den die Beklagten Anfang Juni 2008 feststellten, auch eine konkrete Wiederholungsgefahr. Angesichts dieser Wiederholungsgefahr und der von einem Beschuss mit Luftdruckwaffen ausgehenden Gefahren war den Beklagten die Nutzung der Loggia in diesem Zeitraum nicht zuzumuten.

Daran ändere auch der Hinweis der Klagepartei auf einen möglichen
„Lausbubenstreich“ und die Tauben als mögliches Ziel nichts. Denn zum einen handele es sich dabei um Mutmaßungen, deren Wahrscheinlichkeit gerade in der engen zeitlichen Nähe zum Ereignis nicht abschätzbar gewesen sei. Ferner könne auch bei einem Lausbubenstreich eine Eskalation durch Beschuss auf Menschen statt Umzugskartons und/oder Tauben nicht ausgeschlossen werden. Schließlich bestand das Taubenproblem fort, so dass auch bei Tauben als Ziel ein erneuter Beschuss in diesem Zeitraum als durchaus erscheinen musste. Allerdings bestanden auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Eskalation oder gerade gezielten Beschuss von Menschen oder gar der Beklagten persönlich.

Diese Gebrauchsbeeinträchtigung rechtfertige unter Berücksichtigung der Größe der Loggia im Verhältnis zur Gesamtwohnfläche eine Minderung von 5%.

Aus der Verschmutzung mit Taubenkot folge ebenfalls keine höhere Minderung. Die Nutzung der Loggia sei bereits durch den Beschuss ausgeschlossen gewesen.

Für den Zeitraum ab September 2008 bis 20.11.2008 sei die Miete um 5% der Bruttomiete gemindert gewesen, weil der Mietgebrauch bezüglich der Loggia weiterhin wegen der Verschmutzung mit Taubenkot nicht nur unerheblich beeinträchtigt war. Danach sei die Taubenabwehr angebracht worden.

Wegen des Beschusses der Loggia habe dagegen mangels konkreter Wiederholungsgefahr ab September 2008 kein Mangel mehr bestanden. Seit dem zweiten Vorfall waren zu diesem Zeitpunkt bereits drei Monate vergangen, ohne dass es zu einem erneuten Vorfall gekommen wäre. Eine konkrete Wiederholungsgefahr bestand daher nicht mehr. Die bloße entfernte Möglichkeit eines erneuten Beschusses rechtfertige jedenfalls keine Erhöhung der bereits wegen der Verschmutzung des Taubenkotes eingetretenen Minderung.

Bei Anbringung der Taubenabwehr am 20.11.2008 habe der letzte Vorfall sogar ein knappes halbes Jahr zurückgelegen, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt eine Wiederholungsgefahr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne.

AG München, Urteil vom 23.11.2009, Az: 412 C 32850/08

Quelle: Pressemitteilung 11/10 vom 08. März 2010

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