AG Schöneberg – Haftung des Gebäudeeigentümers für sturmbedingte Beschädigung eines Pkw durch herabfallende Steine


Der Kläger hatte sein Fahrzeug in Berlin am Abend vor dem Haus des Beklagten abgestellt. In der Nacht zog der Orkan „Kyrill “ über Berlin hinweg und beschädigte den Schornstein des Hauses der Beklagten, wobei herabfallende Steine auf die Straße und dort auf das Auto des Klägers stürzten. Den Schaden von rund 2.500 Euro verlangte der Kläger vom Beklagten ersetzt. Der war der Ansicht, der Orkan mit Windstärken über 12 Beaufort sei ein außergewöhnliches Naturereignis gewesen. Da höhere Gewalt zur Beschädigung des Schornsteins geführt habe, sei er nicht verantwortlich zu machen.

Das Amtsgericht Schöneberg verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Schadenersatz. Nach § 836 BGB hat der Grundstücksbesitzer nachzuweisen, dass herabfallende Gebäudeteile nicht Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung sind. Eine Ersatzpflicht scheidet nur dann aus, wenn der Besitzer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat, also sein vermutetes Verschulden widerlegt. Wenn sich Gebäudeteilen infolge von Witterungseinwirkungen loslösen spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Anlage entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war. Der Anscheinsbeweis gilt nur dann nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes und mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Bauwerk nicht standhält. Der Orkan „Kyrill“ fällt nach Ansicht des Gerichts nicht darunter, die fehlerfreie Errichtung bzw. Unterhaltung des Schornsteins konnte der Beklagte nicht nachweisen.

Aus den Gründen:

(…) Die Beklagte haftet gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB, da der Schornstein des Hauses ein Gebäudeteil darstellt, welches sich – unstreitig – in Teilen vom Gebäude abgelöst hat und dadurch eine Sache – nämlich das Fahrzeug des Klägers – beschädigt worden ist. Dass die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist, ist zu bejahen, da sich nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes nicht feststellen lässt, dass der Orkan „Kyrill“ über dem Hause der Beklagten Windstärken erreicht hat, die über 12 Beaufort hinaus gingen. Insoweit lässt sich dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes entnehmen, dass zwar Windstärken von 12 Beaufort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erreicht worden sind, aber keine Windstärken über 12 Beaufort. Nach Ansicht des Deutschen Wetterdienstes ist der Orkan „Kyrill“, der am 18./19.1.2007 den Berliner Raum überquerte als sehr seltenes Witterungsereignis einzustufen. Dem schließt sich das Gericht nach eigener Würdigung an.

Jedoch ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – kein außergewöhnliches Naturereignis anzunehmen, welches zu einer Beweislastumkehr führt. Denn das sich nach den Grundsätzen des § 836 BGB ergebene vermutete Verschulden des Grundstücksbesitzers -hier der Beklagten- und der vermutete ursächliche Zusammenhang zwischen dem Verschulden des Besitzers des Gebäudes und dem Schaden sind nicht widerlegt worden. Grundsätzlich muss ein Gebäude mit seinen sämtlichen Einrichtungen der Witterung standhalten und tut es dies nicht, so ist bei der Haftung aus § 836 BGB nach dem Beweis des ersten Anscheins anzunehmen, dass die Loslösung von Gebäudeteilen infolge von Witterungseinwirkungen darauf beruht, dass die Anlage entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes und mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Bauwerk nicht Stand zu halten vermag. Weil ein Gebäudebesitzer auch ungewöhnliche Stürme in seine Betrachtung einbeziehen und im Rahmen der ihn treffenden Verkehrssicherungspflicht entsprechende Vorsorge für die Festigkeit des Gebäudes und der Gebäudeteile treffen muss, gilt dies auch für Windstärken bis 12 Beaufort, die mit einem Orkan einhergehen (vergleiche OLG Rostock Urteil vom 15.9.2003 Aktenzeichen 3 U 5 8/03; OLG Köln Urteil vom 5.2.2004 Aktenzeichen 12 U 112/03 – recherchiert in Juris).

Eine Erschütterung des insoweit eingreifenden Anscheinsbeweises kann erst bei Orkanstärken oberhalb von 12 Beaufort der auf 17 Stufen erweiterten Windstärkenscala gelten (vgl. OLG Koblenz Urteil vom 9.2.2004 Az 12 U 11 /03). Derartige Windstärken sind jedoch nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes in der Nacht des Orkans „Kyrill“ am Schadensort nicht gemessen worden. Somit ist nach dem Beweis des ersten Anscheins erwiesen, dass die Ablösung von Teilen des Schornsteins des Gebäudes der Beklagten die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung des Schornsteins gewesen ist. Die insoweit für das Gegenteil beweispflichtige Beklagte hat den erforderlichen Beweis nicht geführt. Ihren diesbezüglichen Vortrag, dass der Schornstein im Jahr 2006 komplett neu aufgemauert worden sei, hat die Beklagte im Verlauf des Verfahrens korrigiert. Eine Aufmauerung des Schornsteins ist vielmehr erst nach dem hier streitgegenständlichen Sturmschaden erfolgt. Auch soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass regelmäßige Reparaturen und Überprüfungen an dem Schornstein durchgeführt worden seien, hat die Beklagte trotz einer gerichtlichen Auflage ihren Vortrag nicht durch die Einreichung von Rechnungen oder Schornsteinfegerprotokollen substantiiert. Die Beklagte hat daher den Anscheinsbeweis nicht erschüttert. Die Beklagte ist somit gemäß § 836 BGB zum Ersatz des dem Kläger durch herab fallende Teile des Schornsteins an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens verpflichtet.(…)

AG Schöneberg, Urteil vom 10.07.2009, Az: 17b C 181/07

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