VGH Baden-Württemberg – vor Fahrtenbuchauflage muss der Halter als Zeuge gehört werden, nicht als Betroffener


Die Halterin eines Kfz war in einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von der Behörde angehört worden, allerdings nicht als Zeugin zu der Frage, wer das Fahrzeug geführt hat, sondern als Betroffene, also möglicher Täter. Auf ihr Recht zu schweigen im Anhörungsbogen hingewiesen, schwieg die Angehörte dann auch. Das Verfahren wurde eingestellt und der Halterin auferlegt, ein Fahrtenbuch zu führen.

Hiergegen legte die Halterin Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht zunächst ohne Erfolg die sog. aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen. Erst beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg fand sie Gehör.

Der VGH war nämlich zu Recht der Meinung, die Bußgeldbehörde dürfe den Halter eines Kfz nur als Zeugen und nicht als Betroffenen anhören, wenn feststeht (z. B. aufgrund des Messfotos), dass der Halter keinesfalls der verantwortliche Fahrzeugführer sein kann. Im Gegensatz zur Anhörung als Betroffener, wo dieser sich wegen des bestehenden Aussageverweigerungsrechts nicht äußern müsse, ist der Halter bei der Anhörung als Zeuge grundsätzlich zur Aussage und damit zur Mitwirkung verpflichtet.

Aus den Gründen:

Die Antragstellerin ist vom Landratsamt Heidenheim (…) im Ordnungswidrigkeitenverfahren ausschließlich als Betroffene (mutmaßliche Täterin) und nicht vorsorglich wegen ihrer Eigenschaft als Halterin des Kraftfahrzeugs auch als Zeugin (vgl. zu dieser Konstellation BVerwG, Beschl. v. 21.10.1987 – 7 B 162.87 -, NJW 1988, 1104) angehört worden. Dies ergibt sich aus den verwendeten Formulierungen „Ihnen wird zur Last gelegt…folgende Ordnungswidrigkeit(en) begangen zu haben:“ oder „Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit…“ sowie aus dem Verweis auf § 55 OWiG in den formularmäßigen Hinweisen des vom Landratsamt verwendeten Vordrucks.

Für den Betroffenen besteht aber auch im Verfahren wegen der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit keine Verpflichtung, zur Sache auszusagen (vgl. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 15. Aufl., § 55, Rn. 8). Der vom Landratsamt versandte Vordruck enthält auch den Hinweis auf dieses Aussageverweigerungsrecht des Betroffenen. Ferner ist den Hinweisen des Vordrucks zu entnehmen, dass der Betroffene, sofern er die Ordnungswidrigkeit nicht begangen hat, auch Angaben zu den Personalien des Verantwortlichen machen kann, hierzu aber nicht verpflichtet ist. Im Übrigen ist die Antragstellerin auch vom Polizeiposten … in dessen Vorladungsschreiben (…) als Betroffene im oben genannten Sinne angesprochen worden.

Zur Erfüllung der aus § 31a StVZO folgenden Verpflichtung, zur Ermittlung des Täters einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften sämtliche möglichen, aber auch angemessenen und zumutbaren Schritte zu unternehmen, hätte die Antragstellerin aber zum Zwecke der Klärung der Täterschaft der Geschwindigkeitsüberschreitung (…) nicht als Betroffene, sondern als Zeugin angeschrieben und zur Aussage aufgefordert werden müssen. Denn als Zeugin wäre die Antragstellerin grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet gewesen.

Aufgrund des hinreichend deutlichen Geschwindigkeitsmessphotos (…), das zweifelsfrei einen Mann als Fahrer zeigt und damit als Täter der Ordnungswidrigkeit ausweist, schied die Antragstellerin von vornherein als Täterin des ihr im Anhörungsschreiben zur Last gelegten Verkehrsverstoßes aus. Damit war die Antragstellerin, da sie auch keine Nebenbeteiligte im Sinne von § 87 OWiG war, lediglich Zeugin. Wegen ihrer Eigenschaft als Halterin des Kraftfahrzeugs war nicht auszuschließen, dass sie Angaben zum – männlichen – Fahrer machen konnte.

Nach § 46 Abs. 1 und 2 OWiG sind die Vorschriften der Strafprozessordnung über Zeugen im Bußgeldverfahren sinngemäß anzuwenden, soweit sie im Strafverfahren für die Vernehmung eines Zeugen durch die Staatsanwaltschaft gelten. Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren besteht die Pflicht des Zeugen grundsätzlich darin, bei der Behörde auf eine entsprechende Ladung hin zu erscheinen und zur Sache auszusagen (vgl. Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, § 59, Rn. 3). Einschränkungen kann diese generelle Aussagepflicht durch Zeugnisverweigerungsrechte, z. B. nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 52 StPO zugunsten von Angehörigen, erfahren.

Aus dem – die Aussage rechtmäßig verweigernden – Verhalten der Antragstellerin im Rahmen der förmlichen Anhörung als Betroffene kann auch nicht ohne Weiteres zu ihren Lasten geschlossen werden, sie hätte im Ordnungswidrigkeitenverfahren auch als Zeugin, entgegen der ihr dann obliegenden grundsätzlichen Auskunftspflicht, keine Aussage zur Sache gemacht und damit nicht zur Klärung der Täterschaft beigetragen (a.A. VG Münster, Urt. v. 16.11.2007 – 10 K 1207/07 -, juris). (…)

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 4.8.2009, Az: 10 S 1499/09 (siehe auch Pressemitteilung vom 20.08.2009)

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