OLG Karlsruhe – keine Beleidigung durch unvollständiges „Götz-Zitat“


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Weil ein junger Mann einer Gemeindebeamtin, die zuvor seiner Mutter ein Knöllchen ausstellen wollte, nachgeeilt war und ihr gegenüber äußerte „Wissen Sie was, Sie können mich mal…“, fühlte diese sich in ihrer Ehre verletzt und erstattete Strafanzeige. Das Amtsgericht verurteilte den jungen Mann wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Euro 18, das Landgericht bestätigte in der Berufung dieses Urteil. Erst in der Revision hatte der junge Mann – zumindest vorläufigen – Erfolg. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung zurück.
Aus den Gründen:

Eine nach § 185 StGB strafbare Beleidigung liegt vor, wenn eine Äußerung eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung enthält. Dies ist der Fall, wenn dem Betroffenen der ethische oder soziale Wert ganz oder teilweise abgesprochen und dadurch der grundsätzlich uneingeschränkte Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird (RGSt 71, 160 ff.; BGHSt 1, 289 ff.; 11, 67 ff.; 16, 63 ff.; OLG Celle NJW 1953, 1764; OLG Koblenz, Beschluss vom 18.02.1988, 1 Ss 29/88; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage 2004, § 185 Rn. 8). Ob eine solche Missachtung oder Nichtachtung vorliegt, ist dabei durch Auslegung des objektiven Sinngehalts der Äußerung zu ermitteln, wobei dies unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände, wie etwa der Anschauungen und Gebräuche der Beteiligten, der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebenen, auf welcher die Äußerung gefallen ist, sowie regionaler Besonderheiten und sprachlicher Dialekte zu erfolgen hat. Maßgebend ist dabei nicht, wie der Empfänger, sondern wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht (BGHSt 19, 235 ff., 237; Tröndle/Fischer, a.a.O.). Ist eine Äußerung mehrdeutig, so hat sich der Tatrichter in den Urteilsgründen mit den verschiedenen Möglichkeiten der Deutung auseinander zu setzen, um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die vom Tatrichter vorgenommene Auslegung der Äußerung frei von Rechtsfehlern ist. Sind mehrere Auslegungen denkbar, so darf das Revisionsgericht nicht seine Bewertung an die Stelle der des Tatrichters setzen (OLG Köln AFP 1987, 524 ff.; KG JR 1980, 290 f.; dass Beschluss vom 11.05.1998, 1 Ss 26/98: Bullen).

Eine derartige Kundgebung der Missachtung des Geltungswertes der Gemeindevollzugsbeamtin A. ist der Äußerung des Angeklagten aber nicht zweifelsfrei zu entnehmen.

Der Bemerkung „Wissen sie was, Sie können mich mal…“ kommt für sich gesehen zunächst kein negativer Bedeutungsinhalt bei, vielmehr ist maßgeblich, ob diese mit einem – wenn auch nicht ausgesprochenen – herabwürdigenden Zusatz verbunden sein sollte und auch so in der konkreten Situation für eine verständigen Dritten zu verstehen war. Für den Senat steht dabei außer Frage, dass eine derartige Verbindung mit dem „Götz-Zitat“ (vgl. hierzu LAG Frankfurt NZA 1984, 200; LAG Rheinland-Pfalz ZMV 2001, 146 f.; LG Berlin WuM 1987, 56; LG Offenburg WuM 1986, 250; LG Baden-Baden, Beschluss vom 19.12.1955, Ps 7/55; A.A. AG Greiz NJW-RR 2002,1196) – von situativ- oder regionalbedingten Besonderheiten im Einzelfall einmal abgesehen – auch dann eine Herabwürdigung des Geltungswertes darstellen kann, wenn letzteres nicht ausdrücklich zitiert wird, aber klar zum Ausdruck kommt, dass die Äußerung „Sie können mich mal ..“ einen solchen weiterführenden Bedeutungsinhalt im Sinne einer Herabwürdigung des verdienten Achtungsanspruchs haben sollte und nicht nur Ausdruck einer allgemein derben Ausdrucksweise einer Person ist.

Die Redewendung „Sie können mich mal …“ ist jedoch mehrdeutig, weil sie im Sprachgebrauch nicht nur in Verbindung mit dem „Götz-Zitat“ als Nachsatz verwendet und verstanden wird, sondern auch andere Bedeutungsinhalte haben kann. So ist auch die Formulierung „Sie können mich mal …“ im Sinne des Zusatzes „ … gern haben“ verbreitet, wobei dieser Äußerung umgangssprachlich auch der Bedeutungsinhalt „Lass mich zufrieden! Lass mich in Ruhe“ beigemessen wird. Selbst der Äußerung „Du kannst mich mal ….. kreuzweise“ kann – regional verschieden – ein nicht strafrechtlich relevanter Inhalt im Sinne von „Ohne mich! Da mache ich nicht mit! Lass mich zufrieden“ zukommen.

Bei dieser Sachlage hätte sich das Landgericht aber mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie die Äußerung des Angeklagten in der konkreten Situation zu verstehen war und seine Bewertung von anderen denkbaren Auslegungsinhalten abgrenzen müssen. Allein der Hinweis, die Gemeindevollzugsbeamtin habe sich durch die Äußerung beleidigt gefühlt und dem einschlägig vorbestraften Angeklagten seien solche Beleidigungen nicht wesensfremd, reicht hierfür nicht aus. Zwar liegt es auch nach Auffassung des Senates nahe, dass der wegen der beinahe erfolgten Beanstandung eines Parkverstoßes emotional sehr aufgeregte Angeklagte die ihm zuvor nicht bekannte Gemeindevollzugsbeamtin durch seine Bemerkung maßregeln und – ungeachtet der sozialen Wichtigkeit ihrer Tätigkeit für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs – in ihrer Ehre herabwürdigen wollte, der Senat vermag aber nicht auszuschließen, dass nach Beendigung der straßenverkehrsrechtlichen Maßnahme die Bemerkung des Angeklagten auch im Sinne eines „Lass mich zufrieden, lass mich in Ruhe, die Sache ist auch für mich erledigt“ gemeint gewesen sein könnte, zumal dieser vorliegend jede Beleidigungstendenz in Abrede stellt. Die Feststellung des Landgerichts, die Zeugin sei dann weiter gegangen, der Angeklagte sei ihr nachgelaufen und habe ihr nachgeschrieen, steht dieser Auslegung nicht notwendig entgegen. Sie ließe sich auch damit erklären, dass der Angeklagte als derjenige dastehen wollte, der die Diskussion beendete und das letzte Wort hatte.

Die letztendliche Bewertung der Äußerung obliegt – wie oben dargestellt – aber allein dem Tatrichter, der sich mit der Auslegung der in Rede stehende Äußerung in einer neuen Hauptverhandlung auseinander zu setzen haben wird.

OLG Karlsruhe Beschluss vom 01.06.2004, Az: 1 Ss 46/04

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