Das Adhäsionsverfahren – (leider) das ungeliebte Stiefkind der Strafjustiz


Wer Opfer einer Straftat wird, hat in der Regel auch einen Schaden zu beklagen. Sei es, dass man für ein vermeintliches Schnäppchen bei eBay an einen Betrüger gezahlt hat, man bestohlen oder sogar beraubt wurde, und neben dem Verlust an Wertsachen noch Verletzungen erlitten hat. Wenn dann glücklicherweise der Täter ermittelt wurde, stellt sich die Frage, wie bekommt man den entstandenen Schaden ersetzt?
Schadenersatz- oder Rückforderungsansprüche sind grundsätzlich zivilrechtlicher Natur, für die Zivilgerichte zuständig sind. Die Strafprozessordnung gibt allerdings dem Verletzten einer Straftat die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche auch in einem Strafverfahren gegen den Täter geltend zu machen. Dieses sog. Adhäsionsverfahren (von lat, adhaesio, das Anhaften), geregelt in den §§ 403 ff. StPO, ist demzufolge ein dem Strafverfahren „angeheftetes“ Zivilverfahren.

Wohl aus diesem Grund ist eine gewisse Abneigung bei Strafgerichten gegen diese „lästige“ Verfahrensart vorhanden, wobei dies nicht immer nachvollziehbar ist. Vermögensdelikte, wie Betrug oder Untreue, setzen bereits tatbestandlich einen Vermögensschaden voraus. Dieser und damit der Anspruch an sich muss ohnehin festgestellt werden. Auch bei Eigentumsdelikten, wie Diebstahl, Raub, Sachbeschädigung, kann der Schaden in aller Regel beziffert werden. Problematisch gestalten sich Schmerzensgeldansprüche, z.B. nach einer Körperverletzung, da sich das Gericht dann mit der Angemessenheit eines geltend gemachten Anspruches auseinandersetzen muss.

Vorteile eines Adhäsionsverfahrens:

Der Verletzte (auch sein Erbe) kann seinen Anspruch in Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert geltend machen. Bei Klagen vor dem Zivilgericht ist ab Streitwerten von 5.000,00 Euro das Landgericht zuständig, dort herrscht Anwaltszwang.

In einem Zivilverfahren muss, bevor eine Klage überhaupt zugestellt wird, ein Gerichtskostenvorschuss eingezahlt werden, dieser entfällt im Adhäsionsverfahren.

Während der Verletzte einer Straftat im Zivilprozess lediglich die Stellung einer Prozesspartei hat, ist er im Strafverfahren Zeuge und damit Beweismittel. Zudem hat der Verletzte das Recht, der gesamten Verhandlung ununterbrochen beizuwohnen und Fragen zu stellen, Erklärungen abgeben, auch wenn er selbst Zeuge ist.

Alle anderen Beweismittel sind vom Gericht herbeizuschaffen, Zeugen, werden vom Strafgericht geladen und gehört. Beim Zivilgericht wird nach einem Gütetermin erst eine Beweisaufnahme durchgeführt, wenn Zeugen geladen werden, muss ein Vorschuss gezahlt werden, was alles Zeit und Geld in Anspruch nimmt.

Schlussendlich bleibt dem Verletzten einer Straftat ein weiteres Verfahren erspart.

Voraussetzungen eines Adhäsionsantrages:

Der Anspruch darf nicht anderweitig gerichtlich geltend gemacht worden sein. Wurde bereits ein Verfahren vor dem Zivilgericht eingeleitet, ist der Adhäsionsantrag demnach ausgeschlossen. Im Jugendstrafrecht findet das Adhäsionsverfahren keine Anwendung, soweit das Verfahren einen Jugendlichen betrifft (§ 81 JGG), bei Heranwachsenden kann es gemäß § 109 JGG angewendet werden.

Der Adhäsionsantrag kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift oder auch nur mündlich in der Hauptverhandlung gestellt werden. Der Antrag muss Gegenstand und Grund des Anspruchs bezeichnen, also was der Verletzte will und woraus sich der Anspruch ergibt, und soll auch Beweismittel benennen.

Das Gericht hat die Möglichkeit, den Adhäsionsantrag abzulehnen, wenn die Klärung des Anspruchs das Strafverfahren verzögern würde.

Wenn das Strafgericht der Auffassung ist, dass der Anspruch nicht besteht oder der Täter nicht schuldig ist, wird es den Adhäsionsantrag ablehnen. In diesem Fall kann der Anspruch vor einem Zivilgericht weiter geltend gemacht werden. Es besteht nicht die Gefahr, dass der Anspruch durch ein strafgerichtliches Urteil endgültig abgewiesen wird. Sollte das Gericht nur einen Teil des geltend gemachten Anspruchs zusprechen, kann der nicht zuerkannte Teil danach zivilrechtlich einklagt werden.

Wird dem Adhäsionsantrag stattgegeben, erhält der Verletzte einen vollstreckbaren Titel, aus dem er gegen den verurteilten Täter zwangsvollstrecken kann. Handelt es sich um mehrere Täter, haften diese als Gesamtschuldner. Der oder die Täter müssen auch die entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Verletzten tragen. Wird der Antrag abgewiesen, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen über die Kosten. Diese können auch der Staatskasse auferlegt werden.

Brauche ich einen Rechtsanwalt und was kostet dieser?

Es bietet sich natürlich an, einen solchen zu beauftragen, wobei Kenntnisse im Straf- und Strafverfahrensrecht Voraussetzung sein sollten. Zunächst sollte ein Rechtsanwalt beauftragt werden, Akteneinsicht zu nehmen (§ 406 e StPO), um Kenntnis vom Akteninhalt und den geführten Ermittlungen zu erhalten und die Erfolgsaussichten eines Adhäsionsantrages abzuschätzen.

Für die Tätigkeit in einem Adhäsionsverfahren erhält der Rechtsanwalt zwei volle Gebühren aus dem Streitwert. Sollte ein Vergleich geschlossen werden, entsteht eine weitere Gebühr.

Der Verletzte, der sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen will, kann wie in einem Zivilverfahren Prozesskostenhilfe beantragen, wobei gegen eine Ablehnung allerdings kein Rechtsmittel gegeben ist.

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