OLG Oldenburg – Unwissenheit schützt beim Filesharing doch vor Strafe


Um auf sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke zugreifen und Dateien tauschen zu können, braucht man spezielle Programme. Die zu tauschenden Daten befinden sich in der Regel auf den Computern der Teilnehmer und werden von dort aus verteilt. Beim Filesharing kann jeder Teilnehmer auf seinem Rechner Dateien freigeben und anderen zum Kopieren zur Verfügung stellen, so dass man Daten von fremden Rechnern kopiert (Download), während man gleichzeitig andere Daten versendet (Upload).

Die Verwendung einer solchen Filesharing-Software und die Teilnahme an einem Netzwerk sind an sich legal. Wer allerdings urheberrechtlich geschützte Werke oder z.B. sog. harte Pornographie anderen zugänglich macht, macht sich damit unter Umständen strafbar. Vielen Nutzern von P2P-Netzwerken ist dabei oftmals gar nicht bewusst, dass die nicht nur Dateien downloaden, sondern aufgrund der automatischen Programmeinstellungen auch gleichzeitig selbst diese oder andere Dateien wiederum anderen Teilnehmern im Netzwerk per Upload anbieten. Das OLG Oldenburg nahm diese Unkenntnis der Programmfunktion zum Anlass, eine Verurteilung wegen Zugänglichmachens harter Pornografie aufzuheben.

Das Amtsgericht Jever hatte den Angeklagten wegen Verbreitung gewaltpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25.00 € verurteilt. Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung ein, wobei das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auf das Strafmaß beschränkt wurde. Das Landgericht Oldenburg verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft und auch des Angeklagten mit der Maßgabe, dass er wegen Zugänglichmachung gewaltpornographischer Schriften verurteilt wird. Die zum Oberlandesgericht Oldenburg eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landgerichts.

Aus den Gründen:

Die Feststellungen des Landgerichts rechtfertigen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen Zugänglichmachung gewaltpornographischer Schriften (§ 184 a Nr. 2 StGB). Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils zum Vorsatz des Angeklagten ist rechtsfehlerhaft. Zwar obliegt die Beweiswürdigung allein dem Tatgericht. Dessen Überzeugung, die es sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gebildet hat, ist für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Dies gilt auch dann, wenn eine andere Würdigung des Beweisergebnisses möglich gewesen wäre. Jedoch hat das Revisionsgericht die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Rechtsfehler zu überprüfen. Ein solcher ist etwa dann zu bejahen, wenn die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstößt, oder sich so sehr von einer tragfähigen Tatsachengrundlage löst, dass sich die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung letztlich lediglich als bloße Vermutung erweist, die nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH R StPO, § 261, Vermutung 7, 8, 11). So liegt der Fall hier.

Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die von ihm heruntergeladenen und im Ordner (incoming) „gespeicherten Daten“ sofort auch anderen Nutzern der Tauschbörse zur Verfügung standen. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass man Dateien in einem gesonderten Ordner ausdrücklich freigeben müsse, um sie anderen Nutzern der Tauschbörse zugänglich zu machen.

Das Landgericht hat die Überzeugung, der Angeklagte habe als Nutzer einer Tauschbörse gewusst, dass bei Nutzung des Programms auch von dem eigenen PC Daten zur Verfügung gestellt werden oder dieses zumindest in Kauf genommen, damit begründet, dass derjenige, der wie der Angeklagte aktiv an Tauschbörsen teilnehme, auch Kenntnis darüber habe, wie das Programm funktioniere und worauf der Unterschied zu anderen Anbietern beruhe. Hinzu komme, dass ähnliche Dateien sich in nicht frei zugänglichen Ordnern auf dem PC des Angeklagten befunden hätten. Wenn sich der Angeklagte der Funktion der Tauschbörse nicht bewusst gewesen wäre, hätte er diese anderen Dateien nicht in andere Ordner zu verschieben brauchen.

Die Ausführungen des Landgerichts sind nicht geeignet, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen. Ein Erfahrungssatz dahingehend, dass ein bloßer auch wiederholter – Nutzer einer Tauschbörse wisse oder doch damit rechne, dass er die von ihm heruntergeladenen Dateien schon durch seinen Download anderen Nutzern zur Verfügung stelle, existiert nicht. Der Name des EingangsOrdners „incoming“ spricht jedenfalls dagegen und lässt ohne weiteres gerade nicht vermuten, dass hier auch „Ausgangs“Dateien gespeichert werden. Das Erfordernis eines gesonderten AusgangsOrdners ist auch deswegen naheliegend, weil andernfalls immer nur schon heruntergeladene Dateien zum Tauschen zur Verfügung ständen.

Der zum Beweis des Vorsatzes des Angeklagten vom Landgericht ferner ausgeführte Umstand, dass sich in ähnlichen Dateien nicht frei zugänglichen Ordnern auf dem PC des Angeklagten befanden, ist irrelevant, denn das Verschieben von heruntergeladenen Dateien in andere Ordner kann aus vielerlei Gründen erfolgen, etwa um sie in ein eigenes Dateiordnungssystem einzufügen. (…)

OLG Oldenburg, Beschluss vom 08.05.2009, Az: Ss 46/09 (Volltext)
Vorinstanz: LG Oldenburg, Urteil vom 12.08.2008, Az: 12 Ns 56/08

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