BGH – Ist die Wohnung zu klein, kann fristlos gekündigt werden


Die Kläger waren seit 2002 Mieter einer Wohnung des Beklagten. Über ihren Anwalt erklärten die Kläger im Januar 2005 die fristlose Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum April, weil die Wohnfläche um mehr als 10 % von der mit „ca. 100 m²“ vereinbarten Wohnfläche abweiche. Ferner verlangten die Mieter überzahlte Miete in Höhe von ca. 5.000 Euro zurück und erhoben Klage beim Amtsgericht.

Der Beklagte war der Meinung, er müsse keine Miete zurückzahlen und die fristlose Kündigung sei unzulässig und erhob daher Widerklage , mit der er ca. 2.000 Euro Miete für den Zeitraum von Februar bis April 2005 verlangte.

Das Amtsgericht Michelstadt hat den Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, wonach die tatsächliche Wohnfläche nicht 100, sióndern lediglich 77,37 m² beträgt und um 22,63 % von der vereinbarten Wohnfläche abweicht, zur Zahlung der überzahlten Miete verurteilt, aber auch der Widerklage in Höhe von 1.600 Euro stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung auf einen Betrag in Höhe von 1.200 Euro ermäßigt; die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine erhebliche Abweichung der tatsächlichen von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche den Mieter zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigt.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass mit einer Wohnflächenabweichung von 22,63 % ein Mangel gegeben ist, der zur Folge hat, dass den Klägern der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache nicht rechtzeitig gewährt wurde und daher die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB gegeben sind. Eine fristlose Kündigung erfordert – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht, dass der Mieter darlegt, warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Für die Wirksamkeit einer Kündigung genügt es vielmehr grundsätzlich, wenn einer der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten Tatbestände vorliegt. Bei diesen Kündigungsgründen handelt es sich um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben.

Allerdings kann das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls verwirkt sein. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der Mieter bei Mietbeginn oder danach erkennt, dass die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag angegebene um mehr als zehn Prozent unterschreitet, ohne dies zeitnah zum Anlass für eine fristlose Kündigung zu nehmen. Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger besonderer Umstände waren den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht zu entnehmen.

BGH, Urteil vom 29. April 2009, Az: VIII ZR 142/08
Vorinstanzen: AG Michelstadt, Urteil vom 29. November 2007, Az: 1 C 825/05 ./. LG Darmstadt, Urteil vom 30. April 2008, Az: 7 S 2/08

Quelle: Pressemitteilung Nr. 89/2009 vom 29. April 2009

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