OLG Köln – kein Reißverschlussverfahren auf Beschleunigungsstreifen


Gert Schmidinger / Pixelio

G.Schmidinger/Pixelio

In einer für die tägliche Straßenverkehrspraxis wichtigen Frage hat das Oberlandesgericht Köln die maßgeblichen Verkehrsregeln und die Haftungsfolgen verdeutlicht. Danach gilt auch bei zähfließendem Verkehr für das Einfädeln vom Beschleunigungsstreifen einer Autobahn nicht das Reißverschlussverfahren. Vielmehr hat der Verkehr auf den durchgehenden Fahrspuren Vorrang. Bei einem Unfall zwischen einem vom Beschleunigungsstreifen auf die Autobahn einfädelnden Verkehrsteilnehmer und einem Fahrzeug auf der rechten Fahrspur spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Einfädelnden.

Der Kläger befuhr mit seinem Pkw die Beschleunigungsspur einer Autobahnauffahrt. Bei dem Versuch, sich bei zähfließendem Verkehr auf der rechten Fahrspur vor einem Lkw einzuordnen, kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge. Der Kläger meint, den Lkw-Fahrer treffe die Alleinschuld an dem Unfall. Seine auf Zahlung von ca. 1.700 Euro gerichtete Schadensersatzklage blieb allerdings auch in zweiter Instanz vor dem OLG Köln erfolglos.

Das sog. Reißverschlussverfahren (§ 7 Abs. 4 StVO), wonach bei einer Fahrbahn mit mehreren Fahrstreifen, von denen einer endet oder aus sonstigen Gründen nicht durchgehend befahren werden kann, den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen unmittelbar vor dem Beginn der Verengung der Wechsel auf den benachbarten Fahrstreifen zu ermöglichen ist, findet auf dem Beschleunigungsstreifen einer Autobahn keine Anwendung. Hier gilt vielmehr § 18 Abs. 3 StVO, wonach auf Autobahnen der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt hat. Beschleunigungsstreifen sind eben keine durchgehenden Fahrbahnen. Auf die Beachtung seines Vorrangs darf der Benutzer der durchgehenden Fahrbahn vertrauen. Der einfahrende Verkehr ist wartepflichtig und darf sich nur mit größter Sorgfalt auf die durchgehende Fahrspur eingliedern. Kommt es in dieser Situation zu einem Zusammenstoß zwischen einem bevorrechtigten Fahrzeug auf der durchgehenden Fahrspur und einem sich einfädelnden Verkehrsteilnehmer, spricht der sog. Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Einfädelnden. Dieser muss dann den gegen ihn sprechenden Anschein entkräften. Im konkreten Fall hat der Kläger seine Darstellung, zu dem Unfall sei es nur gekommen, weil der Lkw-Fahrer vorsätzlich oder fahrlässig beschleunigt habe, nicht beweisen können.

OLG Köln Urteil vom 24.10.2005, Az: 16 U 24/05
(Volltext in DAR 2006, 324 oder unter www.justiz.nrw.de)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 7. Februar 2006

Auch das AG Braunschweig entschied mit Urteil vom 29.01.2008, Az: 116 C 3848/07 (SP 2008 211), dass beim Wechsel vom Beschleunigungsstreifen auf die rechte Fahrspur einer Autobahn das sog. Reissverschlussverfahren nicht gilt, auch dann nicht, wenn der Verkehr auf dem rechten Fahrstreifen zäh fließend ist. Gemäß § 18 III StVO hat der Verkehr auf den durchgehenden Fahrbahnen der Autobahn, zu denen die Auffahrt und der Beschleunigungsstreifen nicht gehören, Vorrang. Im vorliegenden Fall war die Klägerin sogar noch durch Vorfahrtszeichen besonders darauf hingewiesen worden.

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