OLG Koblenz – ein standardisiertes Messverfahren liegt nur dann vor, wenn das Messgerät auch nach Herstellerstandards bedient wird


Bei einer Geschwindigkeitskontrolle mit einer sog. „Laser-Pistole“ Riegl FG 21P wurde ein Autofahrer außerorts mit 154 km/h gemessen. Unter Abzug von 3 % Toleranz war damit die zulässige Geschwindigkeit um 49 km/h überschritten, was in der Regel ein Bußgeld von 100 EUR, den Entrag von 3 Punkten in Flensburg und vor allem ein Fahrverbot von 1 Monat zur Folge hat. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Autofahrer Einspruch ein und behauptete eine fehlerhafte Messung.
Das Amtsgericht Trier beauftragte einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für „Straßenverkehrsunfälle“ mit der Überprüfung der Messung. Dieser stellte fest, dass die vor jeder Messung vorgeschriebenen Tests, insbesondere den Align-Test, durchgeführt wurden. Der Messbeamte hätte den Align-Test an einem 133 m entfernten Verkehrsschild durchgeführt. Nach den Herstellervorgaben ist der Align-Test zwar in einer Entfernung von ca. 150 bis 200 m durchzuführen. Nach Auffassung des Sachverständigen entstehen bei einer Abweichung von dieser Entfernungsvorgabe um ca. 10 % aber keinerlei Messunsicherheiten oder -fehler. Die gewählte Entfernung von 133 m (11,3 % Abweichung von der unteren Entfernungsvorgabe von 150 m) sei daher nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht folgte der Einschätzung des Sachverständigen und verurteilte den Autofahrer.

Die zum Oberlandesgericht Koblenz eingelegte Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Trier, die Sache wurde zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Grundsätzlich sein eine Lasermessung ein standardisiertes Messverfahren, allerdings sind die Herstellervorgaben strikt einzuhalten. Andernfalls sei nicht gewährleistet, dass die Verkehrsfehlergrenzen eingehalten werden. Hinzu kam noch, dass die erforderliche Sachkunde auf dem Gebiet der Laser-Messtechnik des Sachverständigen für „Straßenverkehrsunfälle“ zweifelhaft war.

Aus den Gründen:

Aufgrund seiner zu den Vortests getroffenen Feststellungen durfte das Amtsgericht nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgehen. Zwar handelt es sich bei der hier vorgenommenen Lasermessung um ein in der Rechtsprechung grundsätzlich als geeignet anerkanntes Messverfahren (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 3 StVO Rdnr. 61 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die Lasermessung mit den gebräuchlichen Geräten (zu denen auch das hier verwendete Riegl FG 21P wie dessen Vorläufer LR-90 -235/P zählt) ist daher jedenfalls in Bezug auf den eigentlichen Messvorgang ein standardisiertes Verfahren im Sinne der Rechtsprechung (…). Das gilt jedoch nur dann, wenn das Gerät von seinem Bedienungspersonal auch wirklich standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs-/Gebrauchsanweisung verwendet wird, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei den ihm vorausgehenden Gerätetests. Denn nur durch diese Tests kann mit der für eine spätere Verurteilung ausreichenden Sicherheit festgestellt werden, ob das Gerät in seiner konkreten Aufstellsituation tatsächlich mit der vom Richter bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt.

Nach den Urteilsfeststellungen wurde beim Align-Test gegen die „Herstellervorgaben“ (womit ersichtlich die Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung gemeint ist) verstoßen. Diese schreiben vor, dass der Align-Tests, der den ordnungsgemäßen Zustand der entscheidend wichtigen Visiereinrichtung gewährleisten soll und somit von zentraler Bedeutung für eine einwandfreie Gerätefunktion ist, innerhalb eines Entfernungsbereichs von 150 bis 200 m vorzunehmen ist. Tatsächlich wurde bei diesem Test aber ein Ziel in nur 133 m Entfernung angepeilt. Die Bedienungs-/Gebrauchsanweisung bzw. -anleitung, in der die Testmodalitäten festgelegt sind, ist Bestandteil der Bauartzulassung zur Eichung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Auch der Eichschein selbst nimmt, wie dem Senat aus vielen Bußgeldverfahren bekannt ist, ausdrücklich auf die Bedienungsanleitung Bezug, wobei regelmäßig Formulierungen wie „Durch das Ergebnis der Prüfung wird gewährleistet, dass das Laser-Geschwindigkeitsmessgerät die Verkehrsfehlergrenzen einhält, wenn es gemäß der Bedienungsanleitung gehandhabt wird“ oder ähnlich Verwendung finden. Die Einhaltung der Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers ist somit in dem Sinne verbindlich, dass nur durch sie das hierdurch standardisierte Verfahren, d. h. ein bundesweit einheitliches, korrektes und erprobtes Vorgehen, sichergestellt ist. Kommt es im konkreten Einzelfall zu Abweichungen von der Gebrauchsanweisung, so handelt es sich in diesem Falle nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren, sondern um ein individuelles, das nicht mehr die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Das Gerät ist dann auch nicht mehr als ein geeichtes anzusehen, weil das im Eichschein verbriefte Prüfergebnis bezüglich der Einhaltung der Verkehrsfehlergrenzen für eine solche Art der Bedienung (besser: Fehlbedienung) keine Gültigkeit besitzt. Es liegen dann konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Messfehlern vor mit der Folge, dass das Gericht, wenn es die Verurteilung auf ein solches, durch den Mangel eines Verstoßes gegen die Gebrauchsanweisung belastetes Messergebnis stützen will, dessen Korrektheit individuell zu überprüfen hat.

Eine solche Überprüfung ist in aller Regel ohne Mitwirkung eines Sachverständigen für Messtechnik nicht möglich. Dem angefochtenen Urteil ist zwar zu entnehmen, dass das Amtsgericht einen Sachverständigen zu Rate gezogen hat. Über den Fachbereich dieses Sachverständigen enthält das Urteil jedoch keine Angaben. Aus anderen Verfahren, insbesondere darin enthaltenen Gutachten, ist dem Senat bekannt, dass es sich bei dem Sachverständigen (…) um einen öffentlich bestellten Sachverständigen für „Straßenverkehrsunfälle“, nach eigenen Angaben auch für das „Kfz-Wesen“ ganz allgemein, nicht aber um einen solchen für Messtechnik handelt. Dass ein Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle und/oder das „Kraftfahrzeugwesen“ auch die zur Beurteilung des vorliegenden Mess-Sachverhalts – bei dem es zudem auch noch zu Verstößen gegen einschlägige Bedienungsvorschriften (und dadurch zur Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Bauartzulassung und der Geräteeichung) gekommen war – erforderliche Sachkunde auf dem Gebiet der Laser-Messtechnik besitzt, versteht sich nicht von selbst und hätte daher näherer Darlegung bedurft. Insoweit leidet das Urteil an einem Darstellungsmangel.

Das unspezifische Fachgebiet schließt zwar nicht aus, dass der Sachverständige die zur Beurteilung der durch den Verstoß gegen die Bedienungsanleitung entstandenen Fragen nötige Sachkunde besitzt oder sich diese speziell im Hinblick auf das vorliegende Verfahren verschafft hat, etwa durch Einholung einer Auskunft der hierfür besonders qualifizierten Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Dazu aber müssen sich die Urteilsgründe in nachvollziehbarer, eine Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglichenden Weise verhalten.
Sollte es, was denkbar wäre, so gewesen sein, dass der Sachverständige (…) zwar die zur Begutachtung standardmäßig abgelaufener Messvorgänge nötige Sachkunde besitzt, nicht aber das spezielle Fachwissen, das zur Beurteilung der Auswirkungen eines Verstoßes gegen die Anweisungen der Bedienungsanleitung erforderlich ist, und sollte er deshalb, was nicht nur zulässig, sondern auch nahe liegend gewesen wäre, speziell zu den hier maßgeblichen Fragestellungen eine Fachauskunft der erwähnten Bundesanstalt eingeholt haben, so wäre dies im einzelnen darzustellen und insbesondere der Wortlaut dieser Auskunft wiederzugeben gewesen. Nur dann wäre es dem Senat möglich zu beurteilen, ob eine solche Auskunft das auf sonstige Weise nicht erläuterte „Ergebnis“ des Sachverständigen wirklich trug oder ob der Sachverständige, wenn er von einer solchen Auskunft abgewichen sein sollte, hierfür ein überlegenes Fachwissen und daher überzeugende Gründe ins Feld führen kann.

Unabhängig davon gilt folgendes: Das Gericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht, wie hier geschehen, einfach nur pauschal anschließen. Will es seinem Ergebnis ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, müssen die Urteilsgründe die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben (Senat, 1 Ss 361/04 vom 21.12.2004; st. Rspr, vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, § 267 Rdnr. 13). Der allgemeine Hinweis auf die „Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung“, wonach „die gewählte Entfernung von 133 m (11,3% Abweichung von der unteren Entfernungsvorgabe von 150 m) sachverständigenseits festgestelltermaßen nicht zu beanstanden“ sei, reicht dazu schon deshalb nicht aus, weil diese Formulierung inhaltsleer ist und z. B. auch nichts darüber besagt, ob bei diesen (nicht näher erläuterten) „sachverständigenseitigen Feststellungen“, bei denen es sich möglicherweise um eigene Versuche des Gutachters (oder Dritter) handelte, auch der hier festgestellte Verstoß gegen die Bedienungsanweisung simuliert wurde (Senat aaO.). Auch darin liegt ein mit der Sachrüge angreifbarer Darstellungsmangel. (…)

Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 12.08.2005, Az: 1 Ss 141/05

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