ArbG Cottbus – Kündigungen wegen Forumeinträgen auf StudiVZ unwirksam


Vor dem Arbeitsgericht Cottbus waren insgesamt acht Verfahren wegen außerordentlicher, fristloser Kündigung von Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnissen gegen den Inhaber des Hotel „Zur Bleiche“ anhängig. Die betroffenen Auszubildenden und Angestellten des Hotels in Burg/Spreewald hatten sich als Teilnehmer des StudiVZ-Forums „der Storch muss hängen (Bleiche)“ u. a. über die Arbeitsbedingungen, die schlechte Bezahlung, aber auch die Gehbehinderung des Chefs ausgelassen.Darüber hinaus sollen auch Aktionen gegen das Hotel diskutiert worden sein.

In einem Arbeitsgerichtsprozess wird zunächst eine so genannte Güteverhandlung durchgeführt, die hier sämtlichst erfolglos verliefen. Die Fronten waren sehr verhärtet, so dass es zu keiner gütlichen Einigung kam. In den Verfahren war daher zu klären, welchen konkreten Beitrag jeder Einzelne der Gekündigten am Forum hatte und ob es erhebliche Verdachtsmomente für strafbare Handlungen gab.

Vor der 6. und der 8. Kammer des Arbeitsgerichts Cottbus wurden am 05.06.2008 insgesamt 4 Verfahren, vor der 5. Kammer dann am 11.06.2008 2 Verfahren verhandelt und entschieden. In allen Fällen wurde der Klage stattgegeben und die Kündigung damit für unwirksam erklärt.

In der StudiVZ-Gruppe „Der Storch muss hängen“ verfügten 20 Personen – darunter auch die Kläger – über eine Zugangsberechtigung. Mehrere Auszubildende und Mitarbeiter hatten sich an Diskussionen in diesen Gruppen beteiligt oder auch nur hereingeschaut. Die Beiträge der gekündigten Personen waren dabei sehr unterschiedlich. Der Inhaber des Hotel „Zur Bleiche“ hat vortragen lassen, er halte schon die Mitgliedschaft in der Gruppe für einen Vertrauensbruch. Er gehe zudem davon aus, „das sich mehrere Arbeitnehmer und Auszubildende in Zusammenwirken mit ehemaligen Arbeitnehmern und Auszubildenden sowie möglicherweise weiteren Unbekannten bandenmäßig verabredet haben, um durch einen Reizgasanschlag dem Anzeigenerstatter einen möglichst großen Schaden zuzufügen.“ Er hat weiter die Vermutung geäußert, die Diskussion im Internet sei nur die Spitze des Eisberges gewesen und man habe zusätzlich detaillierte Absprachen in persönlichen Gesprächen und Telefonaten getroffen. Hilfsweise hatte er seine Kündigung daher auch als Verdachtskündigung ausgesprochen, da er einen aktiven Beitrag an dem Reizgasanschlag keinem der Kläger und Klägerinnen nachweise konnte.

Die Auszubildenden haben sich entschuldigt und umfangreiche Stellungnahmen abgegeben, wonach sie weder vorhatten, dem Hotel Schaden zuzufügen, noch an dem Reizgasanschlag beteiligt waren. Im Ergebnis haben die 5., 6. und 8. Kammer den Auszubildenden bzw. dem Arbeitnehmer Glauben geschenkt. „Grundsätzlich können sich Arbeitnehmer und Auszubildende in Gruppen zusammenschließen und auch den Chef kritisieren. Die Grenze ist da zu ziehen, wo der Ruf des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit geschädigt wird oder gar Straftaten begangen werden“ – so Lore Seidel, Vorsitzende der 8. Kammer und Pressesprecherin. „Vieles wurde im Verfahren dramatisiert, Zitate wurden aus dem Zusammenhang genommen und dadurch verfälscht. So wird im Zusammenhang mit dem geschilderten Vorfall im Dezember 2007 der Verdacht eines Reizgasanschlags geäußert, obwohl es weder Beweise für die Anwendung von Reizgas noch für einen Anschlag gibt.“ Die Kammer konnte keinerlei Verdachtsmomente für die Beteiligung an einem „Reizgasanschlag“ oder sonstige kriminelle Aktivitäten erkennen.

Einzelne Auszubildende und ein Arbeitnehmer beteiligten sich nicht einmal aktiv am Diskussionsforum. Sie hatten nur aufgrund der Kenntnis über den Gründer des Forums auf einer Beitrittserklärung „ja“ angeklickt, weitere Aktivitäten erfolgten nicht. Einzig eine Auszubildende war mit einigen Beiträgen an der zitierten Diskussion beteiligt. „Die Kammer hat ihr geglaubt, dass die Beiträge nicht ernst gemeint waren.“ so Lore Seidel. „Es zwar verständlich, dass der Inhaber des Hotels angesichts der Wortwahl eingeschritten ist. Die außerordentliche Kündigung war aber eine Überreaktion.“ Die Anforderungen an die Kündigung eines Auszubildenden sind sehr hoch gesteckt, denn im Ausbildungsverhältnis steht die Erziehung im Mittelpunkt. Auch junge Erwachsene sind in ihrer Persönlichkeitsentwicklung meist noch nicht abgeschlossen. Da wird das Handeln häufig von Gruppenzwang und dem Bedürfnis dazuzugehören bestimmt. Lore Seidel: „Die Stellungnahmen der Auszubildenden zeigen, wie achtlos und unsensibel alle waren. Ich denke das war eine Erfahrung fürs Leben, aber der gesamte Lebensweg muss ihnen dennoch nicht verbaut werden.“
Über die verbleibenden 2 Klagen soll am 23.07.2008 verhandelt werden.

Quelle: Presseerklärungen vom 05. und 11.06.2008

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