BGH – Auch bei erheblicher Gesundheitsgefährdung muss ein Mieter vor einer fristlosen Kündigung, eine angemessene Abhilfefrist setzen oder abmahnen


Eine Mieterin hatte einen zeitlich befristeten Mietvertrag abgeschlossen und kündigte die Wohnung vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit. Der Vermieter widersprach der Kündigung. Die Mieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis außerordentlich, da die Wohnung Schimmelpilzbefall an der Tapete hinter ihrem Schrank und hinter dem Bett aufwies. Sie leide wegen des Schimmels unter Neurodermitis, Asthma und Hautausschlag. Einige Tage später zog die Mieterin aus der Wohnung aus und zahlte keine Miete mehr.

Der Vermieter verlangte von der Mieterin für die Restlaufzeit des Mietvertrages die Miete. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Vermieters hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum wegen erheblicher Gesundheitsgefährdung ist nach Auffassung des BGH grundsätzlich erst zulässig, wenn der Mieter dem Vermieter zuvor eine angemessene Abhilfefrist gesetzt oder eine Abmahnung erteilt hat. Dies war hier nicht der Fall.

Aus den Gründen:

(…) Aus dem Wortlaut des (…) § 569 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass die außerordentliche fristlose Kündigung wegen einer erheblichen Gesundheitsgefährdung einen besonders geregelten Fall der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 1 BGB darstellt. Nach der Gesetzessystematik gilt für die außerordentliche fristlose Kündigung wegen einer erheblichen Gesundheitsgefährdung deshalb ebenso wie für jede andere außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, dass die Kündigung gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig ist, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag besteht, und dass eine Fristsetzung oder Abmahnung nur unter den Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB entbehrlich ist. Da der Vermieter durch den Mietvertrag verpflichtet wird, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), verletzt der Vermieter, der einen die Gesundheit gefährdenden Zustand der Mieträume nicht beseitigt, regelmäßig eine Pflicht aus dem Mietvertrag. Auch die Wirksamkeit der Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung setzt demnach grundsätzlich eine Fristsetzung oder Abmahnung voraus. (…)

(…) Einer Fristsetzung oder Abmahnung bedarf es nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht, wenn – was im Falle einer Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung alleine in Betracht kommt – eine Fristsetzung oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (§ 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BGB) oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist (§ 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob, wie das Berufungsgericht angenommen hat, der beanstandete Zustand im vorliegenden Fall nicht leicht hätte behoben werden können. Selbst wenn diese Annahme zuträfe, würde dies nicht bedeuten, dass der Schimmelpilzbefall überhaupt nicht hätte beseitigt werden können und das Setzen einer angemessen Abhilfefrist deshalb offensichtlich keinen Erfolg versprochen hätte. (…)

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Fristsetzung mangels Erfolgsaussicht entbehrlich war, weil sich ein erneuter Schimmelbefall, wie die Revisionserwiderung einwendet, mit zumutbaren Mitteln nicht hätte vermeiden lassen. Der Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass sich eine Schimmelpilzbildung nur bei einem bestimmten – vom Berufungsgericht als un-zumutbar angesehenen – Lüftungsverhalten der Beklagten hätte vermeiden lassen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass sich nach einer Beseitigung des Schimmelpilzbefalls zwangsläufig wieder Schimmelpilz gebildet hätte, wenn die Beklagte in einer ihr zumutbaren Weise – also seltener als vom Sachverständigen für erforderlich gehalten – gelüftet hätte. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Kläger einem erneuten Schimmelpilzbefall durch geeignete Maßnahmen (wie etwa dem Anstrich der Tapete mit pilzhemmender Farbe oder dem Einbau einer Belüftung) wirksam hätte vorbeugen können. (…)

BGH, Urteil vom 18.04.2007, AZ: VIII ZR 182/06

, , , , ,