AG München – Die Tücken der Technik


Die spätere Beklagte betreibt einen Parkplatz in einem Einkaufszentrum. Der Ehemann der späteren Klägerin wollte den Parkplatz verlassen, zahlte sein Parkticket und fuhr zur Ausfahrt, die mit einer Schranke versehen ist. Die Schranke öffnet sich, wenn das bezahlte Ticket in einen Schalter gesteckt wird. An der Schrankenanlage befinden sich Induktionsschleifen. Die erste überfährt man, wenn man sich dem Schalter nähert. Durchfährt man die geöffnete Schranke, überfährt man eine weitere Induktionsschleife direkt unterhalb des Schrankenbaums. Sobald das Fahrzeug diese zweite Schleife verlässt, wird der Schließvorgang ausgelöst.

Auf der linken Seite unmittelbar vor dem Schrankenbaum ist ein gelbes Hinweisschild angebracht, auf dem es heißt: „Achtung, Schranke schließt nach jeder Durchfahrt automatisch“. Rechts neben der Schranke befand sich eine Art Leitplanke. Des Weiteren waren auf dem Gelände Hinweisschilder zur Geltung der Straßenverkehrsordnung angebracht. Insbesondere weist die Beschilderung aus, dass sich Fahrradfahrer und Fußgänger den Gehweg des Parkgeländes zu teilen haben.

Der Ehemann der Klägerin fuhr nun mit dem Fahrzeug an die Schranke heran und steckte das Ticket in den Automaten. Daraufhin öffnete sich die Schranke. Noch bevor der Ehemann anfahren konnte, fuhr ein Radfahrer rechts am Fahrzeug vorbei und unter der geöffneten Schranke hindurch. Der Ehemann der Klägerin folgte dem Radfahrer. Während sich der PKW noch in dem Schrankenbereich befand, schloss sich die Schranke, da der Radfahrer die zweite Induktionsschleife ausgelöst hatte, schlug auf der Frontscheibe auf und beschädigte auch das Dach.

Die Klägerin forderte von der Beklagten den Ersatz des Schadens in Höhe von 1.235 Euro, schließlich habe sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, in dem sie es unterlassen habe, den Radfahrern und Fußgängern einen anderen Durchgang zu bieten. Die Beklagte hätte damit rechnen müssen, dass die Schrankenanlage verkehrswidrig als Abkürzung benutzt würde. Die Induktionsschleifen seien zu empfindlich eingestellt, so dass auch Radfahrer sie auslösen könnten. Die Beklagte hätte dafür Sorgen müssen, dass sich die Schranke nicht schließt, wenn sich ein Fahrzeug unter ihr befindet. Die Beklagte weigerte sich zu zahlen, die Schrankenanlage entspreche dem Stand der Technik. Das Fehlverhalten des Radfahrers könne ihr nicht vorgeworfen werden.

Das Amtsgericht München gab der Beklagten Recht:

Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung liege nicht vor. Zwar habe jeder, der eine Gefahrenlage für Dritte schaffe, alle Vorkehrungen zu treffen, die zur Beseitigung von Gefahren erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich seien allerdings nur Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger des betroffenen Personenkreises für notwendig und ausreichend halten würde. Der Dritte ist nur vor Gefahren zu schützen, die er selbst bei Anwendung der zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann. Die Beklagte verstoße nicht gegen die Verkehrssicherungspflicht, wenn sie eine Schrankenanlage betreibe, deren Induktionsschleifen so eingestellt sind, dass sich der Schrankenbaum bei Überfahren und Verlassen der letzten Induktionsschleife senke, auch wenn sich ein Fahrzeug unmittelbar nachfolgend oder immer noch unterhalb des Schrankenbaums befinde. Wäre dies nicht der Fall, könnten ganze Kolonnen von Fahrzeugen die Durchfahrt passieren, ohne zu bezahlen. Um den besonderen Anforderungen eines stark frequentierten Parkgeländes gerecht zu werden, muss die Schrankenanlage so konzipiert werden. Die Beklagte weise auf die Funktionsweise der Schrankenanlage durch ein Warnschild auch hin.

Die Beklagte habe auch die Radfahrer darauf hingewiesen, dass diese die Gehwege zu benutzen hätten. Das sich diese im Einzelfall nicht daran halten, sei für die Beklagte nicht verhinderbar. Ein derartiges grob verkehrswidriges Verhalten sei auch dann nicht ausschließbar, wenn andere Verkehrswege zur Verfügung stünden. Die Schließanlage entspräche auch dem Stand der Technik, sie müsse insbesondere auch für leichtere Motorräder konzipiert werden, so dass eine empfindlichere Einstellung der Induktionsschleifen geboten sei.

AG München, Urteil vom 22.03.2007, AZ: 223 C 27796/07 (rechtskräftig)

Quelle: Pressemitteilung vom 14.01.2008

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