LG Karlsruhe: Voraussetzungen der Strafbarkeit wegen Hehlerei beim eBay-Kauf


Wer eine Sache, die ein anderer gestohlen hat, kauft, um sich zu bereichern, macht sich nach § 259 StGB wegen Hehlerei strafbar. Das Amtsgericht Pforzheim hatte dementsprechend einen eBay-Käufer wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe verurteilt, da dieser ein – wie sich später herausstellte, gestohlenes – Navigationssystem weit unter Neupreis von einem polnischen Anbieter erworben hatte. Die Verurteilung durch das Amtsgerichts Pforzheim fußte auf einer absurden Indizienkette, der Käufer hätte auf Grund des Startpreises von einem Euro, des extrem günstigen Endpreises und des Herkunftslandes des Verkäufers Verdacht schöpfen müssen. Das Landgericht Karlsruhe setzte dem Unfug ein Ende und sprach den Käufer vom Vorwurf der Hehlerei frei (wir berichteten).

Zwischen September 2004 und Juli 2005 wurden aus fabrikneuen PKWs des Volkswagen- Konzerns, die sich auf dem Eisenbahntransport von Werken in der Slowakei bzw. Polen befanden, in großer Zahl Radios, Navigationsgeräte und CD-Wechsler gestohlen. Eines dieser Geräte, ein Navigationsgerät, wurde von dem gesondert verfolgten polnischen Verkäufer Ende Juli 2005 im Internet über „eBay“ zum Verkauf angeboten. Der Startpreis lag bei einem Euro. Im Onlineangebot wurde das Gerät näher beschrieben und als „nagelneu“, „noch nie benutzt“ und „top legal“ angepriesen.

Der Käufer und spätere Angeklagte war schon länger auf der Suche nach genau einem solchen Gerät. Er hatte sich bei VW informiert und erfahren, dass derartige Geräte inkl. Zubehör neu etwa 2500 Euro kosteten. So viel wollte er aber nicht ausgeben. Er begann ab Frühsommer 2005, sich unter den Angeboten bei eBay nach einem Navigationsgerät umzusehen. Mehrfach gab er bei entsprechenden Versteigerungen verschiedener Anbieter Gebote ab, ohne jedoch letztlich den Zuschlag zu erhalten. Er stellte jedoch fest, dass das Höchstgebot immer zwischen 500 und 800 Euro lag. Der Angeklagte ging davon aus, dass sich die erhebliche Differenz zwischen dem Werkspreis und den Versteigerungspreisen dadurch erkläre, dass es sich um sog. „B-Ware“ handele. Er beteiligte sich auch an dieser Versteigerung eines Naivigationsgerätes des gesondert verfolgten polnischen Anbieters. Wie zuvor bei den anderen Angeboten, hatte er sich vor Abgabe seines ersten Gebots die Informationen auf der Angebotsseite genau angesehen und die Beschreibung des Geräts zur Kenntnis genommen. Ihm war klar, dass er riskierte, gar keine oder eine schlechte Ware zugesendet zu bekommen, und ihm war auch bewusst, dass er in einem solchen Falle kaum eine Chance hätte, sein Geld zurück zu bekommen, da der Anbieter sich in Polen befand. Daher war es ihm wichtig, dass der Anbieter als „Powerseller“ auftrat und im „eBay“-Bewertungssystem 99% positive Bewertungen erhalten hatte. Dies beruhigte den Angeklagten.

Der Angeklagte erhielt mit einem Höchstgebot von 671 Euro zuzüglich Versandkosten den Zuschlag und zahlte. Etwa eine Woche später traf das ersteigerte Navigationsgerät ein. Der Angeklagte stellte beim Öffnen des Paketes fest, dass das Gerät nicht mehr originalverpackt war. Auch erwies sich der beiliegende Datenträger mit den Straßenkarten als veraltet. Der Angeklagte war zunächst über die Diskrepanz zwischen der Angebotsbeschreibung und der Lieferung enttäuscht, fühlte sich aber letztlich nicht betrogen. Der Zustand der Ware entsprach nach Vorstellung des Angeklagten immer noch sogenannter „B-Ware“. Das Alter des Kartenmaterials erklärte er sich damit, dass der Verkäufer wohl aus Enttäuschung über den niedrigen Zuschlagspreis die aktuelle CD gesondert verkaufen wolle. Da das Gerät als solches aber funktionierte, war der Angeklagte angesichts des Preises insgesamt zufrieden. Er besorgte sich das notwendige weitere Zubehör und baute das Gerät in seinen PKW ein. Auf den Gedanken, das ersteigerte Gerät könne womöglich gestohlen oder sonst durch eine Straftat erlangt worden sein, kam er zu keiner Zeit.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Zweigstelle Pforzheim, hatte das Amtsgericht Pforzheim am 19. April 2007 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro wegen Hehlerei erlassen. Ihm wurde vorgeworfen worden, er habe über die Versteigerungsbörse „eBay“ im Internet von einem gesondert verfolgten Anbieter ein als „nagelneu“ angebotenes Navigationsgerät gekauft, obwohl er gewusst habe, dass der Neuwert weitaushöher liegt, und dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Gerät dem Eigentümer durch eine rechtswidrige Tat abhanden gekommen sei. Tatsächlich sei das Gerät gestohlen worden. Auf den Einspruch des Angeklagten verurteilte ihn das Amtsgericht Pforzheim am 26. Juni 2007 wegen Hehlerei zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro.

Aus den Gründen des freisprechenden Berufungsurteils des Landgericht Karlsruhe:

Für die innere Tatseite der Hehlerei gem. § 259 StGB ist erforderlich, dass der Täter mit (mindestens bedingtem) Vorsatz bezüglich der Vortat und der Hehlereihandlung handelt und mit der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Der Täter muss wissen, dass die Sache durch eine rechtswidrige Tat erlangt ist. Genaue Kenntnisse von der Vortat und vom Vortäter sind nicht erforderlich. (…) Er muss sich nur bewusst sein, dass die gehehlte Sache aus einem gegen fremdes Vermögen gerichteten Delikt stammt. Da Hehlerei in der Schuldform der Fahrlässigkeit nicht nach § 259 StGB strafbar ist, bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit aber eng beieinander liegen, sind an die Abgrenzung im Einzelfall hohe Anforderungen zu stellen (BGHSt 36, 1). Es reicht nicht aus festzustellen, ein Angeklagter habe bei dem Erwerb einer gestohlenen Sache mit der Möglichkeit gerechnet (oder gar nur rechnen müssen), sie stamme aus einer rechtswidrigen Tat. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, der Angeklagte habe die als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf genommen oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abgefunden (BGH NStZ-RR 2000, 106). Dies ist vorliegend nicht möglich.

Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen vielmehr hinsichtlich der inneren Tatseite auf den inhaltsgleichen Einlassungen des Angeklagten. Diese sind nicht zu widerlegen. Es ist schon keine Überzeugungsbildung dahingehend möglich, der Angeklagte habe während der Teilnahme an der Versteigerung entgegen seinen Angaben im Strafverfahren in Wahrheit die Möglichkeit in Betracht gezogen, das Navigationsgerät könne gestohlen sein.

Der Umstand, dass trotz des erheblichen Werts des angebotenen Navigationsgeräts der Startpreis lediglich 1,- € betrug, ist kein taugliches Indiz dafür, dass der Angeklagte es für möglich gehalten hätte, er steigere auf Diebesgut. Mit dem Startpreis legt der Anbieter einer Onlineversteigerung fest, wie hoch das Mindestangebot sein muss. Wenngleich bei vielen Onlineversteigerungen über „eBay“ auch teils sehr hohe Startpreise festgelegt werden, weil die Anbieter fürchten, ansonsten könne der angebotene Gegenstand einen Zuschlag weit unter Wert erhalten, machen doch die meisten Anbieter hiervon keinen Gebrauch. Die Angabe eines geringen Startpreises kann auf den unterschiedlichsten Motiven des Anbieters beruhen, wie etwa einer beabsichtigten Ersparnis höherer Gebühren für einen höheren Startpreis, Werbezwecken bzw. der Erreichung eines größeren Bieterkreises oder der Erwartung auch über eine niedrig beginnende Auktion einen besonders hohen Preis im Rahmen der Auktion zu erzielen (vgl. OLG Köln MMR 2007, 446; zitiert nach JURIS), denn durch niedrige Startpreise werden auch solche Interessenten zur Teilnahme an einer Versteigerung veranlasst, die bei hohen Startangeboten sofort abgeschreckt würden. Je mehr Interessenten Gebote abgeben, desto eher kann der Anbieter darauf hoffen, dass die Angebote sich hochschaukeln, vielleicht durch Mitzieheffekte auch solche Angebote abgegeben werden, die die Interessenten ursprünglich nicht ins Auge gefasst hatten, und insgesamt ein interessanter Zuschlagspreis erreicht wird. Der Preis, zu dem im Fall des Angeklagten der Zuschlag erfolgte, ist ebenfalls nicht geeignet, seine Einlassungen zu widerlegen. Zunächst einmal ist der Zuschlagspreis weder vom Käufer noch vom Anbieter (so er sich nicht unlauterer Methoden wie der Einschaltung von Scheinbietern bedient) nicht direkt zu beeinflussen. Jede Versteigerung hat ihre eigene Dynamik. Ein Artikel kann durch die geschilderten Mitzieheffekte teurer werden als bei einem Einkauf in einem normalen Laden, es kann aber auch das Gegenteil der Fall sein. Erfahrene „eBay“-Mitglieder wissen das und hoffen gerade darum, durch geschicktes Bieten und das Einhalten selbst gewählter Angebotsobergrenzen früher oder später ein „Schnäppchen“ zu machen. Dass der Angeklagte ein Gerät, von dem er selbst wusste, dass er beim Vertragshändler (ohne Einbauzubehör) etwa 2100,- € zahlen müsste, für nur 671,- € bekommen konnte, war für ihn als erfahrenes „eBay“-Mitglied daher noch kein Anlass zu besonderem Misstrauen.

Ob etwas anderes gelten müsste, wenn – wie bei einem „Sofortkauf“- Angebot – von vornherein eine erhebliche Diskrepanz zum üblichen Marktpreis erkennbar ist, braucht hier nicht entscheiden zu werden, da eine solche Option nicht Bestandteil des Angebots war. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Einlassung des Angeklagten, er sei davon ausgegangen, es handele sich um sogenannte „B-Ware“, durchaus plausibel ist. Als „B-Ware“ werden Verkaufsartikel bezeichnet, die aus dem normalen Vertrieb eines Händlers herausfallen und zum Sonderpreis angeboten werden, dabei aber neu bzw. neuwertig und voll funktionsfähig sind sowie der regulären Gewährleistung unterliegen. Dabei kann es sich um Artikel handeln, die nicht mehr original verpackt sind, aber als neu gelten, weil sie z. B. nur einmal ausgepackt und vorgeführt bzw. vom Kunden angesehen wurden, oder um Retouren aus dem Versandhandel, um sogenannte Serviceware, also Artikel, die bereits einmal repariert und so in einen neuwertigen Stand zurückversetzt wurden, um Rest- bzw. Sonderposten oder um Artikel, die zum Zweck des Garantieumtausches im Herstellerlager vorgehalten wurden und bei Auslaufen der Produktreihe ebenfalls in den Verkauf gelangen. Es kann dahin gestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt der Auktion Geräte wie das vom Angeklagten ersteigerte tatsächlich als „B-Ware“ gehandelt wurden, denn solch detailliertes Insiderwissen hatte der Angeklagte nicht. Fest steht jedenfalls, dass es in vielen Bereichen derartige „B-Ware“ tatsächlich gibt und solche Artikel mit zum Teil ganz erheblichen Preisnachlässen gehandelt werden. Damit ist seine Einlassung nachvollziehbar.

Dass der Anbieter des Navigationsgeräts sich in Polen befand, kann ebenfalls nicht als Indiz dafür herangezogen werden, dass der Angeklagte mit Diebesgut gerechnet habe. Die Republik Polen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union, der Volkswagen-Konzern ist in Polen als Hersteller präsent. Dafür, dass der Angeklagte gerade nicht dachte, er habe es womöglich mit einem Anbieter gestohlener (oder sonst zweifelhafter) Ware zu tun, spricht hingegen, dass das von ihm vor der Angebotsabgabe studierte Bewertungsprofil für „…“ hervorragend ausgefallen war. Das Bewertungsprofil wies bei 791 Verkäufen eine Quote von 99 % positiven Bewertungen aus. Das deutete darauf hin, dass zuvor bei einer Vielzahl von Transaktionen alles mit rechten Dingen zugegangen war. Schließlich weist auch der Aspekt, dass der Angeklagte Vorkasse leistete, eher darauf hin, dass er nicht mit der Möglichkeit kalkulierte, es werde ihm Hehlgut angeboten. Hätte der Angeklagte diese Möglichkeit bedacht, dann wäre er nämlich zwangsläufig davon ausgegangen, es bei „…“ mit einem Kriminellen zu tun zu haben. Dann hätte natürlich auch auf der Hand gelegen, dass er selbst Opfer dieses Straftäters werden könne, z. B. indem er nach Zahlung überhaupt nichts geliefert bekäme. Es ist lebensfremd zu unterstellen, der Angeklagte hätte in diesem Fall bewusst mehrere hundert Euro aufs Spiel gesetzt.

Es sind auch keine ausreichenden Indizien vorhanden, dass der Angeklagte nach Erhalt der Ware von Diebesgut ausgegangen wäre: Zwar entsprach das Gelieferte nicht exakt dem Angebot, doch war auch dies noch in der Vorstellung des Angeklagten ohne Weiteres erklärbar und ist ebenfalls kein tragfähiges Indiz für einen Hehlereivorsatz. Davon abgesehen hätte der Hehlereivorsatz zurzeit der Hehlereihandlung vorhanden sein müssen (…). Erfährt der Täter nachträglich die Herkunft der Sachen, so liegt Hehlerei nur vor, wenn er nunmehr Handlungen vornimmt, die den Tatbestand des § 259 StGB erfüllen, also z. B., wenn er jetzt bei einem weiteren Absatz hilft. Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. Die Hehlereihandlung wäre hier mit Entgegennahme des Pakets, das das Navigationsgerät enthielt, abgeschlossen gewesen. Der Täter verschafft sich oder einem Dritten den Hehlereigegenstand, wenn er oder der Dritte über diesen Gegenstand die tatsächliche Verfügungsgewalt durch deren Übertragung erlangt. Es kommt allein darauf an, ob der Täter mit dem Willen, eigene Verfügungsgewalt über die Sache zu erhalten, die Besitzerstellung des Vortäters einverständlich übernimmt (BGHSt 27, 160), um damit über die Sache verfügen zu können, denn der für die Strafwürdigkeit der Hehlerei wesentliche Gesichtspunkt ist, dass die Rückgewinnung der Sache durch den wirklich Berechtigten auf Grund einer Weiterveräußerung erschwert wird. Dies war hier mit Entgegennahme des Paktes, in dem sich das ersteigerte Gerät tatsächlich befand, geschehen. Auf eine spätere Prüfung des Inhalts kann es nicht ankommen. Die Erlangung der Verfügungsgewalt braucht nämlich nicht einmal mit der Begründung des unmittelbaren Besitzes an der Hehlereisache verbunden zu sein. Dementsprechend ist nach h. Rspr. etwa der Hehlereitatbestand bereits erfüllt, wenn jemand mit dem Vorbesitzer vereinbart, dass er sich das Diebesgut von einem frei zugänglichen Platz abholt (zum Ganzen vgl. S/S-Stree, a.a.O. Rn 21 m.w.N.). Möglich ist natürlich auch, dass zunächst nur Besitz begründet (z.B. Verwahrung, Lieferung zur Ansicht) und die Verfügungsgewalt später durch bloße Einigung mit dem Vorbesitzer erlangt wird (BGHSt 15 58). In diesem Fall hat sich der neue Besitzer die Sache erst mit Einigung über den Übergang der Verfügungsgewalt verschafft.

So liegt der Fall hier aber nicht, denn hier ging die Einigung voraus. Ginge man von einer nachträglich erlangten Kenntnis des Angeklagten von der wahren Herkunft des Navigationsgerätes aus, käme somit nur Unterschlagung im Sinne des § 246 StGB in Betracht. Abgesehen davon, dass, wie ausgeführt, dies nicht nachzuweisen ist, würde in diesem Fall die Sachentscheidungsvoraussetzung einer wirksamen Anklage fehlen. Die Entgegennahme des Paktes, die Kenntnisnahme vom Inhalt und erst dann erfolgende Aneignung mit bedingtem Vorsatz bezüglich fremden Eigentums sind von dem diesem Strafverfahren zugrunde liegenden Strafbefehl nicht umfasst. Es handelt sich insoweit um eine andere prozessuale Tat.

Schließlich lässt sich auch die für den Tatbestand des § 259 StGB erforderliche Bereicherungsabsicht nicht nachweisen. Bereicherungsabsicht im Sinne des § 259 StGB fehlt, wenn nach Vorstellung des Täters eine entsprechende Sache anderswo auf legalem Weg zum gleichen Preis erhältlich ist (…). Vorliegend ist zumindest nicht zu widerlegen, dass (legale) Navigationsgeräte des vom Angeklagten ersteigerten Typs zur Tatzeit in einem Preissegment von 500,- bis 800,- € über „eBay“ erhältlich waren.

LG Karlsruhe, Urteil vom 28.09.2007, Az: 18 AK 136/07 – Ns 84 Js 5040/07 (MIR-Dok 389-2007)
Vorinstanz AG Pforzheim, Az: 8 Cs 84 Js 5040/07

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