Bundesarbeitsgericht – Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage ohne Gegenleistung stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar


Eine Arbeitnehmerin war seit 1998 bei dem beklagten Drogerieunternehmen Sch. als Verkäuferin/Kassiererin in Teilzeit angestellt. Ihre monatliche Bruttovergütung betrug 456,00 Euro. Am 16. April 2004 wurde festgestellt, dass die Tageseinnahmen der beiden letzten Tage aus dem Tresor verschwunden waren. Nachdem eine mehrstündige Befragung der drei Mitarbeiterinnen, die in der fraglichen Zeit den Tresorschlüssel in Besitz hatten, den Tathergang nicht aufgeklärt hatte, wurde allen drei Mitarbeiterinnen fristlos gekündigt.

Gegenüber der Arbeitnehmerin wurde die Kündigung auf einem Formular ausgesprochen, in dem es im Anschluss an die Kündigungserklärung heißt:

„Kündigung akzeptiert und mit Unterschrift bestätigt. Auf Klage gegen die Kündigung wird verzichtet.“

Diese Erklärung wurde von der Arbeitnehmerin unterzeichnet.

Die Arbeitnehmerin, die bestritten hatte, für das Verschwinden der Tageseinnahmen verantwortlich zu sein, erhob trotz der Erklärung Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber vertrat im Verfahren die Auffassung, der Klageverzicht sei wirksam. Es sei außerdem nicht zuzumuten, mit den drei Mitarbeiterinnen, von denen eine die Gelder entwendet haben müsse, weiter zusammen zu arbeiten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Arbeitnehmerin stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers blieb beim Bundesarbeitsgericht erfolglos. Der Klageverzicht war nach § 307 BGB unwirksam. Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an eine Arbeitgeberkündigung ohne Gegenleistung in einem ihm vom Arbeitgeber vorgelegten Formular auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet. Durch einen solchen Klageverzicht wird von der gesetzlichen Regelung des § 4 Satz 1 KSchG abgewichen; ohne Gegenleistung benachteiligt ein solcher formularmäßiger Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen. Darüber hinaus lagen nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, für eine Kündigung wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung keine hinreichenden Gründe i.S.v. § 626 BGB vor.

BAG, Urteil vom 6. September 2007 – 2 AZR 722/06
Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Juli 2006 -2 Sa 123/05

Quelle: Pressemitteilung Nr. 64/07 vom 06.09.2007

, , ,