Kammergericht – erhöhte Betriebsgefahr einer Straßenbahn


(c) M Hauck / Pixelio

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Nach einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einer Straßenbahn hatte sich das Kammergericht in einer zurückliegenden Entscheidung aus dem Jahr 2004 mit der Frage zu beschäftigen, ob von einer Straßenbahn eine erhöhte Betriebsgefahr ausgeht mit der Folge, dass der Eigentümer eines bei einem Unfall beschädigten Pkw einen höheren Schadenersatz beanspruchen kann. Der Eigentümer eines Pkw musste in dem zu entscheidenden Fall als Linksabbieger auf der Straße Am Tierpark in Berlin warten, als sich eine Straßenbahn näherte und mit dem Pkw zusammenstieß.

Das Landgericht Berlin konnte den höchst streitigen Unfallhergang nicht aufklären und teilte unter Zugrundelegung der sog. Betriebsgefahr mit Urteil vom 29.04.2002, Az: 24 O 631/01, den entstandenen Schaden. Der klagende Eigentümer des Pkw erhielt seinen Schaden daher nur zu 50 % ersetzt (hierzu unser Beitrag zur Betriebsgefahr). Hiermit war der Kläger nicht einverstanden, er wollte vollen Schadenersatz und legte gegen die Entscheidung Berufung ein. Das Kammergericht wies die Berufung mit Urteil vom 26.01.2004, Az: 12 U 182/02, zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts.

Das Kammergericht gab dem Kläger zunächst dahingehend Recht, dass von einer Straßenbahn eine erhöhte Betriebsgefahr ausgeht, was dann aber zur Folge hätte, dass eigentlich eine Haftungsquote zugunsten des Klägers hätte gebildet werden müssen. Allerdings habe sich der Kläger als Linksabbieger nicht verkehrsgerecht verhalten, er hätte auf Schienenfahrzeuge, auch auf sich noch nicht nähernde, achten müssen. Wenn die Verkehrslage ein zeitnahes Abbiegen nicht zulasse, hätte er sich auch nicht auf die Schienen stellen dürfen. Durch sein nicht verkehrsgerechtes Verhalten habe sich somit seine Betriebsgefahr erhöht, so dass es bei der Schadenteilung blieb.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Soweit der Kläger mit der Berufung die volle Haftung der Beklagten für die bei dem Verkehrsunfall vom 21. September 2001 gegen 18.30 Uhr auf der Straße Am Tierpark entstandenen Schäden begehrt, ist das Rechtsmittel unbegründet. Zutreffend hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, dass dem Kläger ein höherer Schadensersatzanspruch nicht zusteht. (…)

Eine über 50 % hinausgehende Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer erhöhten Betriebsgefahr der Straßenbahn (…). Zwar trifft es zu, dass die Betriebsgefahr, die von einer Straßenbahn ausgeht, gegenüber derjenigen eines Pkw erhöht ist, da die Straßenbahn schienengebunden und ihr Bremsweg bedingt durch das hohe Fahrzeuggewicht sehr lang ist (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1994, 28, 29). Ob sich die erhöhte Betriebsgefahr im vorliegenden Fall konkret ausgewirkt hat, kann jedoch dahinstehen.

Eine über 50 % hinausgehende Haftung der Beklagten ist jedenfalls deshalb nicht gerechtfertigt, weil bei der Abwägung nach § 17 StVO ein verkehrswidriges und damit schuldhaftes Verhalten des Klägers zu berücksichtigen ist, aufgrund dessen die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr sich erhöht hat. Als Linksabbieger war der Kläger nach § 9 Abs. 1 Satz 3 StVO gehalten, sich nur dann auf den Schienen einzuordnen, wenn er kein Schienenfahrzeug behinderte. Dies setzt voraus, dass bei Berücksichtigung der Verkehrslage eine Straßenbahn auch nicht alsbald herankommen kann (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, VR 1974, 38; 92, 108; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 9 StVO Rdnr. 36). Dies war ersichtlich nicht der Fall. Gegen den Kläger spricht daher (…) der Beweis des ersten Anscheins, die sich aus § 9 Abs. 1 Satz 3 StVO ergebenden Pflichten verletzt zu haben.“

Kammergericht, Urteil vom 26.01.2004, Az: 12 U 182/02

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