Versäumter Arzttermin – hat der Arzt gegen den Patienten Anspruch auf Ausfallvergütung?


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Ein Arzt kann unter bestimmten Voraussetzungen von einem Patienten, der zum vereinbarten Behandlungstermin nicht erscheint, Vergütung der versäumten Zeit bzw. Schadenersatz verlangen.

Zwischen Patient und Arzt besteht ein Behandlungsvertrag, der grundsätzlich jederzeit, also auch während der laufenden ärztlichen Behandlung kündbar ist. Terminvereinbarungen dienen grundsätzlich zunächst dem geregelten Praxisablauf. Ein Vergütungs- bzw. Schadenersatzanspruch besteht bei Säumnis des Patienten von daher nicht, wenn die Praxis trotz Terminvergaben regelmäßig übermäßig besucht und damit jederzeit ein Rückgriff auf andere Patienten möglich ist.

Wird die Praxis allerdings nach einem konsequenten Bestellsystem geführt (was in einem Rechtsstreit nachzuweisen wäre), nach dem nicht gleichzeitig andere Patienten für einen Termin bestellt werden und der Arzt sich in seinen Dispositionen ausschließlich auf diesen Termin einrichtet, kann die Terminvereinbarung als sog. kalendermäßige Bestimmung im Sinne des § 296 BGB angesehen werden. Dies hat zur Folge, dass sich ein Patient, der einen Behandlungstermin nicht rechtzeitig absagt bzw. unentschuldigt überhaupt nicht erscheint, zum Zeitpunkt des Behandlungstermins in Annahmeverzug befindet.

Besonders relevant und ärgerlich wird das Problem in Fällen, in denen im Vertrauen auf die Einhaltung des Termins besondere Vorkehrungen getroffen wurden, so z.B. wenn eine umfangreiche und zeitintensive Behandlung vorzubereiten und durchzuführen ist, und der Patient ohne Absage nicht erscheint.

Nach der überwiegenden Rechtsprechung führt die schuldhafte bzw. nicht rechtzeitig mitgeteilte Säumnis des Patienten zu einen Vergütungsanspruch des Arztes gem. § 615 BGB, den der Patient (nach Abzug sogenannter ersparter Aufwendungen wie Material, Laborkosten etc.) zu erstatten hat. Die verschuldete Terminsäumnis eines Patienten kann letztlich auch als Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag angesehen werden, was dann einen Schadenersatzanspruch in Höhe des entgangenen Gewinns abzüglich der ersparten Aufwendungen nach sich zieht.

Eine gesonderte schriftliche Vereinbarung mit dem Patienten ist zwar grundsätzlich nicht erforderlich, aber für den Arzt schon zum Nachweis der erfolgten Belehrung über die Folge versäumter Termine ratsam. Die formularmäßige Verwendung einer solchen Vereinbarung, z.B. auf dem Anmeldebogen oder durch gesonderten Vordruck, führt dazu, dass die Vereinbarung als Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 ff BGB anzusehen ist, was einige zu beachtende Formvorschriften nach sich zieht.

Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Vertragsbestandteil, wenn die andere Vertragspartei ausdrücklich darauf hinwiesen wird, von ihrem Inhalt ohne Schwierigkeiten Kenntnis nehmen kann und mit ihrer Geltung einverstanden ist. Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der andere Vertragspartner mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders, hier also zu Lasten des Arztes. Diesen Erfordernissen kann man durch ausreichende Schriftgröße, Hervorhebung zum übrigen Schriftbild (z.B. Fettdruck) und vor allem durch eine Unterschrift des Patienten entsprechen.

Weiter stellt sich die Frage, ob bereits in der Vereinbarung zur Vereinfachung eine pauschale Summe genannt wird, oder ob dies für jeden einzelnen Fall (insbesondere bei aufwändigen Behandlungen) gesondert festgestellt wird. Problematisch könnte sich die Vereinbarung einer Pauschale zudem gestalten, da die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs auf Schadensersatz unwirksam ist, wenn die Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt (also z.B. über den Sätzen der GOÄ oder GOZ liegt) oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger. Auch eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme einer Leistung, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird, ist unwirksam. Bei der Formulierung der Vereinbarung ist daher die größtmögliche Sorgfalt zu verwenden, um Nachteile zu vermeiden. Bei der Bemessung des Vergütungsanspruchs bzw. Schadens sollte der durchschnittliche Kostenfaktor der Praxis (Stundensatz) zu Grunde gelegt werden.

Für den Berliner Raum hat das Amtsgericht Wedding mit Urteil vom 27.07.1995, AktZ.: 21 C 302/94, bereits vor geraumer Zeit entschieden, dass ein Zahnarzt, der seine Praxis nach einem konsequenten Bestellsystem führt, gegenüber einem Patienten, der einen vereinbarten Behandlungstermin nicht fristgerecht absagt, Vergütungsansprüche gemäß §§ 611 und 615 BGB geltend machen kann, weil sich der Patient zum Zeitpunkt des Behandlungstermins in Annahmeverzug gemäß §§ 293 und 296 BGB befand. Im zu entscheidenden Fall war der Patient, der über die Verpflichtung zur Terminabsage 24 Stunden vor Behandlungsbeginn aufgeklärt worden war, zur geplanten Füllungstherapie nicht erschienen. Das Gericht sprach dem Zahnarzt die Vergütung zu, die er bei der geplanten Maßnahme hätte erbringen können, wenn der Patient erschienen wäre

Auch das Berliner Amtsgericht Neukölln entschied mit Urteil vom 7.10.2004, AktZ.: C 179/04, zugunsten eines Zahnarztes. Ein Patient hatte zwei Termine versäumt. Weil sich der Patient zuvor in einem Anmeldeformular schriftlich verpflichtet hatte, im Fall einer kurzfristigen Absage – innerhalb von weniger als 24 Stunden – pro vereinbarter halben Stunde ein Ausfallhonorar in Höhe von 35 Euro zu zahlen, wurden ihm insgesamt 105 Euro in Rechnung gestellt. Diese vereinbarte Pauschale wurde vom Amtsgericht Neukölln auch so akzeptiert.

Die überwiegenden Gerichtsentscheidungen lauten mit ähnlicher Argumentation zu Gunsten der klagenden Ärzte. Lediglich einige Gerichte haben sich dieser Argumentation, das vereinbarte Behandlungstermine als Leistungszeitpunkt anzusehen sind, verschlossen und die Klagen abgewiesen.

Weitere Gerichtsentscheidungen im Überblick

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